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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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sich noch umgucken. Da kann er ihr noch so viele
biblische Geschichten einblasen, und wirklich, sie kann die alle auswendig, sie
weiß besser Bescheid als ich -, auf der sicheren Seite ist er damit noch lange
nicht.
    »Guck ma, Tante Sonja«, rief
Hannah, sie wollte mir zeigen, wie schön sie mit ihrer Kinderharke den Weg
geharkt hatte. Aber Dieter war noch nicht fertig: »Und deshalb kannst du das
jetzt auch ruhig zu mir sagen!«
    »Ja, kann ich, aber ...« Ich
wollt noch was sagen, aber diese ganze Chose war mir auf einmal so was von
egal. Also hab ichs gesagt, »Du bist ein Königskind, benimm dich auch so«, wie
irrsinnig, dacht ich noch, und dann hab ich die Gerätschaften weggeräumt, mich
von Hannah verabschiedet, die sich wieder gar nicht von mir trennen wollte, und
bin ins Haus gegangen.
    Als ich paar Tage später den
Müll rausbring, seh ich, wie Fischbach aus seinem Fenster hängt und guckt, ob
nicht einer guckt, ob er nicht einen zu sich ranangeln kann, und er macht den
Hals lang, den »Gurkenhals«, wie Friedhelm sagt. »Fischbach und Plötz, dat
passt, hihi, dat passt, wat?«, meckert er immer, Fischbach. Er saß zweimal im
Knast, weil er in K onsum eingebrochen ist. Wegen
Schnaps. Dann kam er zu Arndt. Wie er mich sieht, fängt er gleich an, mit den
Armen zu fuchteln und mich zu sich ranzuwinken, »Sonja! Sonja! Komm ma her!«
    Ich halt den Müllbeutel in die
Höhe, geh aber auf dem Rückweg von der Tonne bei ihm ran. Er überschlägt sich
fast mit seiner Fistelstimme: »Sag ma sag ma, war Dieter schon bei dir? Hat er
dir auch seinen seinen komischen Spruch gesagt bei dir?«
    Ich nicke.
    »Sag ma dat geht doch dat geht
doch nu zu weit oder sag ma?«
    Ich sag: »Naja, ich glaub, er
meint das gut...«
    »Wat?«, piepst Fischbach. »Dat
müsst ihm ma einer sagen einer muss ihm dat doch ma sagen, dat dat zu weit geht
dat dat nich geht!«
    Und einer muss natürlich
wieder ich sein, oder was?
    Jedenfalls war ich
vorbereitet, hatte mir auch ordentlich was zurechtgelegt, man muss ja nicht
gleich ausfällig werden. Ich brauchte auch gar nicht lange warten, noch am
selben Tag, als ich grad zum Club loswollte, kam er anmarschiert. Auch immer so
im Stechschritt auf einen zu, als müsst man nun gleich nen Befehl von ihm
entgegennehmen.
    »Du, Sonja«, sagt er.
    »Ja?«, sag ich. Wohl n
bisschen schnippisch, denn er guckt mich an. Ich guck ihn auch an, ich denk,
nun sag schon.
    »Du, könntest du Hannah
vielleicht morgen Vormittag wieder nehmen? Sie kann morgen nich in'n
Kindergarten, sie hat Husten ...«
    Schon wieder?, denk ich. Da
steckt doch wieder was anderes dahinter. Wahrscheinlich machen die morgen im
Kindergarten was, was irgendwie wieder gegen sein Weltbild geht. Er lässt sie
doch ständig zu Hause, das Kind darf nicht mal mit ins Theater. Dann fiel mir
wieder ein, dass er doch eigentlich das andere sagen wollte, oder, oder ich
wollte doch was anderes ...
    »... is zwar zu Hause, aber
sie fühlt sich auch gar nich wohl, sie muss morgen ma bisschen schlafen, das
Gefahre auch immer zur Arbeit...«
    »Du, Dieter«, sag ich, »ich
hab eigentlich gar keine Zeit, ich muss ...«
    »Ja, aber Sonja, wart ma, eins
muss ich dir doch noch sagen«, und er grinst mich an, »du bist ein Königskind
...«
    »... dann benimm dich
gefälligst auch so!«, polter ich ihm dazwischen. Er hält sofort den Mund. Damit
hab ich nicht gerechnet, ich mein, auch, dass ich so ...
    »Ich mein - das hat auch nix
mit Manieren zu tun, wie du uns hier ... was du so machst.«
    Er ist dann einfach auf dem
Hacken umgedreht. Ohne ein Wort.
    Hannah hat er am nächsten Tag
nicht zu mir gebracht. Musste sie den lieben langen Tag mit ihrer tranigen
Mutter in der Wohnung zubringen. Da hab ich das schon fast wieder bereut. Wer
weiß, ob sie überhaupt noch mal zu mir kommen darf. Wahrscheinlich bin ich
jetzt auch gegen sein Weltbild. Macht man denn immer alles falsch?
    »Hahh!«
    Ich fahr zusammen. »Romy!«
    »Mama! Musst du mich so
erschrecken? Was sitzt du denn hier im Dunkeln rum?«
    Sie kramt in der Schublade
hinter mir, die, die nur noch ein kleines Stück aufgeht, aber sie kriegt noch
was rausgeangelt. Mit dem Feuerzeug zündet sie eine Kerze an. Ich stell die
Kerze weiter weg. Sie muss mich nicht so sehen.
    »Mama«, sagt sie. »Hast du
was?«
    »Ach, nix«, quietsch ich. In
meiner Hosentasche ist noch ein Taschentuch, da schnaub ich erst mal kräftig
rein. Ist ja schon besser.
    »Willst du auch ein Glas?« Ich
halt ihr die Weinflasche hin.

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