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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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Ein Glas wirds vielleicht noch. »Her damit«, sagt
sie.
     
    PASTOR WIETMANN
     
    Liebe Elena, werden wir wohl
gar sehr schuldig aneinander, und wird es uns eines Tages, so von Tagen dann
noch wird die Rede sein können - denn es wird nicht T ag und N acht sein, und auch um den A bend wird es licht sein wohl übel zugerechnet werden,
dass wir diese mögliche Schuld getilgt glau ben allein durch den Umstand,
dass keines sich schlecht befinde, und wohler als viele allzumal, bei diesen
Umständen? Diese Umstände aber, die, die das erste, und die, die das fortan
stets erneuerte Zusammenlaufen unserer Wege begleiteten und jeden Sonntag noch
begleiten, die liebe ich, und als ich dir in einer ehrlichen Sonntagsstunde
einst sagte, mehr als dich, so nahmst du es nicht gekränkt und widerwortig auf,
gekränkt höchstens ein weniges, dass dieser Mann, von dem du allsonntäglich
nichts erwartest als das Einbiegen seines harmlosen Automobils auf den
Parkplatz vor deiner Blockwabe, dass dieser Mann außerhalb seiner Arbeit das
Wort >Liebe< in den Mund nahm, statt nur wie sonstens die Schmiegsamkeit
deiner Lippen, deiner Gazellenglieder. M ein F reund komme
in seinen G arten und esse von seinen edlen F rüchten.
    Diese Früchte aber, Elena,
sind mitnichten die meinigen, sie sind es jetzt nicht mehr als zu den ersten
seekranken Zeiten, als mein Schiff unter der Flagge des blassen Herzens noch beständig
hin- und hergeworfen ward zwischen deines Namens Luv und dem Lee Kathrin.
Niemals auch werden sie es sein, die meinigen nicht und nicht die der Anderen,
zu deren Existenz kein Hinweis mir erging aus den Wochenberichten von deinem
Greifswaldischen Sein, aus der Bestückung deines Badezimmers, aus dem
immergleichen Beerengeruch deiner Betttücher nicht. Aus keinem einzigen Molekül
deines ehrlichen Schweißes. Weil es die deinigen sind, Elena, deine Früchte,
ganz und gar, weil du eine seltene wahre Königin bist über das, was zu dir
gehört, und nur das. Bei uns, mir und den Anderen, kann von Gehörigkeit zu dir
nicht die Rede sein, so wenig wie die umwandernden Monde in des Planeten
Eigentlichkeit zu ihm gehören. Und so übe ich mich zu folgen den Worten eines
Weisen, der kein anderer als mein Onkel, dazumal Professor der Kunsthistorie
zu Greifswald, war und zuweilen riet, man lerne doch sich zu erfreuen an den
Farben, die dem eigenen Farbkasten nicht zuzählbar seien.
    Warst du, Kathrin, mir
zuzählbar, ich dir? Ich war dir abzählbar, dies musstest du dir vom Staate,
den du doch gelernt hattest nicht zu befragen, bestätigen lassen, und noch kurz
bevor er selber schuldig geschieden ward von der Geschichte, wie ich von dir.
Und er machte keine Umstände und zögerte nicht, als er sah, dass es seine
verlorene Tochter endlich verlangte heimzukehren. Und das nahmst du in Kauf und
nicht länger mich, und um diesen Mut sollen dich alle beneiden und sich dabei
ihre Lästerzungen abbeißen.
    Und sieh, deshalb war es mir
wie eine Züchtigung, als du gingst, eine gerechte: Nicht länger konnte meine
Ungenügsamkeit sich deiner Genügsamkeit als eines Anlasses zu Zorn und Vorwurf
bedienen und war zurückgeworfen auf sich selbst in ihrer ganzen Unförmigkeit,
ihrer Kopflastigkeit, ihrem öden Dasein, nein, man muss sagen, lediglichen
Funktion, ganz wie ein Virus nur Funktion ist, als Marterinstrument ihrer
selbst. Perpetuum mobile.
    Denn wohl war es genügsam
gewesen und demütig, Kathrin, sich zu schicken in einen Bund, in dessen Grenzen
das Wort S eid fruchtbar und mehret euch immer mehr wie ein Hohn zu
klingen begann und auch nach zehn Jahren von Mehrung noch nicht und nicht mehr
die Rede sein konnte. Und das Ausbleiben dieses Segens fühlte ich begründet in
mir, denn unvorstellbar und monströs war mir seit je der Gedanke gewesen, dass
etwas von mir ausgehen solle oder wolle, etwas sich herauslösen aus mir, um
sodann mir als ein Gegenüber vor das Angesicht zu treten, mit einem Angesichte,
das es als sein eigenes behauptet und das ich dennoch als ein Wasserzeichen des
meinigen erkennen müsste. Und du, Kathrin, die du keinen Begriff hattest von
solcherart monadischem Unbehagen, musstest doch miteinbegriffen sein in seine
Folgen, seine Folgenlosigkeit, und diese Leere rumorte gar sehr in dir, aber du
wolltest das Nichthaben nicht übertönen lassen das Haben.
    Was aber hattest du, was
hattest du an mir? Einen Ungenügsamen, der sich, alldieweil seine Geschicke
sich besser und besser ausnahmen, um des Misstrauens willen gegen

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