Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
Vom Netzwerk:
die
Zufriedenheit sich nicht bescheiden wollte mit ebendieser. Und wiederum ließ er
sich foppen von seinem Schatten, dem Zweifel, und wähnte sich wohl gar als ein
möglicher Nachfahr Peter Schlemihls und wollte es schlauer anfangen als dieser
und um keinen Preis diesen Schatten sich abschwatzen lassen, sondern um jeden
Preis ihn behalten.
    Kathrin, hättest du lauter
gesprochen. Lauter als mein Onkel, doch das war schwer. Man lerne doch, sich zu
erfreuen an den Farben des eigenen Spektrums. Denn was man hat, das hat man
eine kurze Frist nur.
    Und hast du nichts, bist du
nichts, bist du kein Pfarrer, wie er im Buche steht. Kriegst du keinen
Pfarrgarten mit Pfarrhaus dran. Kriegst du eine Pfarrstelle mit Balkon dran.
Strafe muss sein. Was aber, falls er aufmucken tut und Hebel in Bewegung setzt,
die Insassen des Pfarrgehäuses hinauszuhebein? Nee, nee, zu solcherart
Kohlhaasigkeiten darf man ihm gar nicht erst den krummen Rücken stärken und ihm
noch gar mehr Respekt erweisen als den übrigen in diesem vielfenstrigen Hause
Eingekästelten. Und soll man es denn, wo er doch nun nicht anders behaust ist
als Karl Gniedeck und Eugen-der-Beutedeutsche? Soll man nicht. Und muss man nun
haben ein unsanftes Ruhekissen derhalben? Muss man nicht. Warum aber tut man
umgehen den Pfarrer mit verkniffenen Augen, als hätte man schlecht geschlafen?
Und ist vergnatzt, als hätten Pastor und Gewissensbiss in Personalunion einen
um den Schlaf der Gerechten gebracht? Warum huscht man flink in seinen Bau,
Herr Arndt, und kömmt nur herfür forthnightly dienstags als Fuchs im
Kaninchenpelz, und warum führt man gelegentlich dieses Auftauchens aber so
wenig Blut in der Leber und nennt nicht beim christlichen Namen die
Futterkonkurrenten, während man Galle ausspeit über Anklamer und
Umgebungspastoren, Vertreter und Verwalter eines religiösen Schlendrians
sondergleichen, Saftsäcke, Teufelsleugner? Denn keinen Namen sollen sie haben,
keinen wie Arndt, nicht gedacht soll ihrer werden, denn Arndt allein wird
berechnen wieder, wie viel Kamele durch das Nadelöhr gehen und welche. Wozu
unabdingbar ist eine Verschlankung, sonderlich der geschwollenen Leber und des
Denkorgans, von welchem zu amputieren sind alle Wucherungen seit der Aufklärung.
Man werde ganz Ohr. Audire sape.
    Ich wollte nicht hören. Als
die Zigeunerin in ihrem buntdunklen Verschlag hinter dem Riesenrad auf der
Fleischerwiese mir Fünfzehnjährigem in die feuchte Hand und geradewegs ins
Milchgesicht sah mit ihren wassergrünen Augen. Ich hielt sie für keine echte
und gab ihren Worten keinerlei Glauben bei. Vorbei aber war es sogleich mit
meiner astrologischen Phase, nicht länger interessierten mich Konstellationen,
die Geburtsstunden meiner Freunde, die stets nur nach die Grenzen der Freundschaft
fast überdehnendem Drängen und Versprechen, nämlich auf nach genauesten
Berechnungen erfolgender Prognose für die künftigen Geschicke, zum Beispiel mit
Barbara oder Evi, herausgebracht werden konnten. Denn herausgebracht werden
mussten sie ja zunächst aus den Gebärerinnen, und dass es sich dabei um die
eigenen Mütter handelte, war auch den offenherzigsten Bescheidwissern Anlass
zu spontaner Verweigerung aufgrund schamhaftigkeitsbedingter Unpässlichkeit.
Ich riet zu raschem Nachschlagen im Stammbuch, dessen Verwalterinnen man
notfalls durch Vortäuschung eines Anfalls von Familiensinn für das Unterfangen
einnehmen musste. Keiner indes war wohl so überzeugend wie der
gedächtnisschwache Heiner, der, als er nächtens mit der Taschenlampe über den
Blutseintragungen hockend aufgeschreckt wurde, seelenruhig behauptete, ihm
sei, er wisse auch nicht wie, sein dritter Vorname entfallen, und dieser
nagende Verlust brächte ihn gewiss um allen weiteren Nachtschlaf, sollte er
nicht sofort die Reconquista seines Eigentums antreten dürfen. »Viertel vier«,
verkündete er mir am folgenden Tage.
    »Und wie heißt du nun
vollständig?«
    Er sah mich nachdenklich an.
»Keine Ahnung. Heiner reicht doch, oder?«
    Aszendenten. Kümmerten mich
nicht mehr, weniger noch, als ich erfuhr des Wortes eigentliche Bedeutung, spät
dank der sich im selben versteckten Unrateimer wie Gottes- und Sternenkunde
wiederfindenden Humanistischen Bildung und nur accidentaliter bei
gefallsüchtiger Aneignung einiger Vokabeln aus meines Vaters Fremdwörterbuche,
denn auch ich hatte in jenen Zeiten ein Geschick mit einer Evi, nur hieß sie
Margot und war die Tochter des Staatsanwaltes, welche ich gedachte mit

Weitere Kostenlose Bücher