Zander, Judith
CD hätten
und der Plattenspieler ja nun endgültig übern Jordan war, na ja. Was sich fast
so anhörte, als wenn er froh dadrüber war, als wenn er nun endlich einen Grund
hat, und ich hatte ziemlich Lust, ihm das ins Gesicht zu sagen. Wie beknackt ich
das finde, und dass ichs schon immer beknackt gefunden hab, und dass er nun
sieht, was er davon hat, dass er nun nämlich dasitzt mit dem ganzen Krempel und
nicht weiß, wohin damit. Das mit dem An- und Ver- passt ihm ja in Wirklichkeit
auch nicht, weiß ich genau, und bloß weil Mutti das gesagt hat und ihm nix
Bessres eingefallen ist.
Aber den Mund aufgemacht hab
ich natürlich doch nicht, muss ja nicht sein, der war doch gleich wieder auf
Hundertachtzig gewesen. Ich hab mir nur innerlich eins gegrinst, jedenfalls so
lange, bis er mich gefragt hat, ob ich etwa eine Platte zur Erinnerung
behalten will, an die guten alten Zeiten, und dann hat er gegrinst. Damit ich
später noch weiß, dass es so was auch mal gegeben hat, weil wir, also ich und
seine Schüler und die ganze blöde Jugend von heute, solche Sachen ja viel zu
schnell vergessen, und so weiter. Die Oberlehrer-Tour. »Keine Angst, ich
vergess das schon nich«, hab ich gesagt. Wie denn auch, hab ich gedacht.
Jetzt bückt Romy sich und
zieht eine Platte raus. Und sagt: »Wow!«
Ich glaub, mir wird gleich
schlecht. Von ihr hätte ich das nun echt nicht gedacht. Dass die solche Wörter
benutzt, solche von der >cool<- und >sorry<-Sorte. Ich dachte, na
ja, ich weiß auch nicht. War vielleicht doch keine so gute Idee. Sie glotzt auf
die Platte und ihr Gesicht ist die helle Begeisterung. »Das ist ja das White
Album!«
»Ja«, sag ich bloß und hoffe,
dass sie jetzt nicht auch noch >cool!< sagt. Das White Album , na und! Ich wünschte, wir
würden uns langsam mal in mein Zimmer bewegen, ich hab schließlich nicht
extra aufgeräumt, damit wir hier auf den kalten Fliesen von einem Bein aufs
andre treten und den alten Mist angucken. Aber da sagt Paul, und seine Augen
fangen an, so ähnlich wie die von Romy zu glänzen, was zwar jetzt kitschig
klingt, aber wie soll man das sonst nennen, und ich kenn dieses Glänzen, es ist
gefährlich, Paul sagt: »Du magst die Beatles?«
Da ist es, dieses Wort, vor
dem ich Schiss hatte. Aber ließ sich wohl nicht vermeiden, schon als Romy so
auf die Kiste geguckt hat, hab ichs geahnt, dieser alberne Name, was soll das
überhaupt bedeuten? DieBeatlesdieBeatlesdieBeatles. Das wollt ich doch nie mehr
hören. Ich hätte das Zeug eigenhändig auf dem Flohmarkt verkauft dafür,
verscherbelt hätt ichs, je seltener, desto billiger. Ich hätte Mutti und Vati
zwingen sollen, das nur noch über Kopfhörer zu hören, ich hätte sagen können,
Oma verträgt das nicht, ich muss noch was für die Schule lernen. Zum Glück
kommen sie ja selber kaum noch auf die Idee, überhaupt irgendwas anzuhören.
Jetzt heißt es nur immer, »Ella, mach diesen Mist leiser, das hält ja kein
Mensch aus!« Wie oft hab ich mir gewünscht, ich hätte das einmal, nur einmal zu
ihnen gesagt. Hätt ich ne Backpfeife für gefangen, mindestens, egal. Aber
unsereins hat immer bloß gekuscht, sogar Thorsten. Na ja, nicht immer, hätte
sonst wohl kaum so viel Katzenköppe und Stubenarrest und
Ohne-Abendbrot-ins-Bett gegeben. Die halten nix von antiautoritär oder wie das
heißt. Aber all die Jahre All you need is love!
Und dann das vorhin schon
wieder, immer dieses Misstrauen. Dass ihre Tochter Elisabeth was anstellen
könnte, was ausfressen, und wat solin denn bloß die Leute sagen! Dann würds ja
gleich wieder heißen, siehste, Lehrerkinder sind auch nicht besser, im Gegenteil,
die sind schlimmer als alle andern. Sind sie ja auch, schlimmer dran nämlich.
»Heut abend kommt n Junge
vorbei«, hab ich gesagt, »er heißt Paul, er kommt aus Irland.«
»Achso?«, hat Mutti gesagt,
das war doch dann wohl der Enkel von der alten Hanske, der Sohn von ihrer
Tochter, die da damals abgehauen ist, von der Ingrid Hanske, na ja, jetzt würd
sie ja wohl anders heißen.
»Ishley«, hab ich gesagt.
»Wie?«, hat sie gefragt, und dann
gleich: »Ella, mach keine Dummheiten! Von vorher fragen hältste ja wohl nich
mehr viel...« Und ob sonst noch jemand kommen würd.
Als ob jemals einer zu mir
kommen würde! »Ich ruf Romy Plötz an«, hab ich gesagt.
Hab mich dann fast gefreut,
auf Paul, und auf Romy, und dann haben die nichts Bessres zu tun, als von den
Beatles zu quatschen. Verdammt, eh! Aber wer rechnet denn mit so was! Ja
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