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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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Garnituren. »Na, gefällt dir die neue Garnitur?« Ich
krieg Ausschlag bei dem Wort! Und Strumpfhosen! Und die Beatles, sogar unterm
Tannenbaum. Ich wollte W eihnachten
in F amilie von Frank Schöbel, den mochte ich.
Aber das war nur für die andern, für uns gabs was Besondres, das hat nicht
jeder, yeah, yeah, yeah . Mutti hat versucht, mit mir zu tanzen danach. Ich
bin weggerannt. Dieses Glänzen auf ihrem Gesicht, und wie sie Vati dann
angeguckt hat. Ich hab mich geekelt vor diesen Typen, vor ihren doofen
Frisuren. Mir war das irgendwie peinlich, ich hab mich richtig geschämt. Für
Mutti und Vati, aber eigentlich noch mehr für mich selber, ich hab gedacht, wie
bekloppt muss man sein, um so bekloppte Eltern zu haben, oder so ähnlich.
Manchmal hab ich ja gedacht, das sind gar nicht meine Eltern, und das war sogar
noch, bevor Vati das damals zu Mutti gesagt hat, und da hab ich noch gedacht,
sie haben mich aus irgendeinem Heim geholt, und Thorsten erst recht.
    Ich wusste nie die Titel der
Songs, ich war die ganze Zeit bloß damit beschäftigt, ihre klebrigen Melodien
aus dem Kopf zu kriegen, diese Texte, die ich auswendig konnte, bevor ich sie
überhaupt kapiert hab, da wars dann eh schon zu spät. Ich versuch ja immer
noch, morgens aufzuwachen und sie nicht singen zu hören in meinem Kopf, die
haben ihre verdammte Band da reingebeamt oder was weiß ich.
     
    PASTOR
WIETMANN
     
    Da habe ich mich also
entschieden, den Vorstellungen der Leute vom Leben eines Pastors doch noch
Genüge zu tun. Allzu leicht aber wollten sie es mir nicht machen und haben mir
Steine aufgehäuft auf dem Wege der Rechtschaffenheit, der erste Stein aber
heißt Misstrauen, denn sie trauen dem Worte Gottes nicht aus dem Munde eines
städtischen Studierten, der zweite Stein aber heißt Missgunst, denn sie
vergönnen dem Pfarrer nicht das Pfarrhaus, alldieweil es schon anderweitig
behaust ist, der dritte Stein schließlich heißt Missbilligung, denn sie
billigen nicht die Wandelhaftigkeit ihres Hirten, der zunächst Mutter und Vater
verließ, um einem Hirtenweibe anzuhangen, und dann das Hirtenweib verließ, um
seine Schafe alleine zu weiden, so dass man der Vermutung anheimfallen könnte,
dass auch seine Schafe einst eine verlassene Herde sein würden.
    Über diese Steine aber setze
ich mit Gelenkigkeit meine Beine, und wenn sie zuerst auch nur aus Neugier mir
Gehör zu schenken begannen, so hörten sie doch, und wenn die Wohnung, die sie
mir gaben, auch nur ein zweizimmriges Gehäuse ist, so ist es doch genug und
leicht zu reinigen, und wenn sie auch ihre Münder kräuseln und Mutmaßungen
vielfältigen Ausdruck verleihen und der Gedanke an des Pastors mögliche,
immerhin mögliche Verkehrtheit, die eine geschlechtliche sein könnte, sie um
ihre Seelenruhe bringt, so wissen sie damit doch nicht mehr über mich, als die
Gemeinde von ihrem Pastor wissen soll, und wissen damit nichts über mich und
nichts über Kathrin und nichts über Elena.
    Und so sitze ich hier in
meiner nur durch ein Uhrticken getakteten Stubenstille bei dünnem Kaffee und
einem selbstgezogenen Rübengemüse und warte demütig auf die Eingebungen des
Geistes für die Niederschrift der Predigt, welche erbaulich zu hören sein soll
am fünfzehnten Sonntage nach Trinitatis. Und auch etliche Gedanken zur
Vorbereitung des Erntedankfestes sind schon in meinem Kopfe hin und her
gegangen. Und Herr Seelsorger Arndt musste gar wohlgefällig nicken dazu.
    So hatte sich also damals
Bernhard Wietmann, zwanzig Jahre, entschlossen, einer von den Guten zu werden,
und dies unterschrieben mit seinem Namen auf dem Antrag auf Immatrikulation
für die Theologie, evangelische, anno neunzehnhundertundsiebzig zu Greifswald.
Und das Gute und der Mut gingen zu jenen Zeiten noch Hand in Hand, aber das
Gute durfte das Gute nicht sein, denn das war einer anderen Sache Prädikat nun,
und das alte Gute war nur noch ein Aberglauben, und der Mut ward eine
Gutmütigkeit bei den einen, und bei den anderen ein Übermut. B. Wietmann,
Erstsemester, aber war guten Mutes. Und täglich prüfte er sich, ob er das Gute
auch könne und wolle und solle.
    Wie aber war es bestellt um
den kategorischen Imperativ? Nun wohl nicht gar so burgenfest, als dass er bis
zu seiner Vikarszeit es einmal gewagt hätte, in sich zu horchen, ob er es denn
auch zur Ausführung bringe, das Gute, da aber konnte er es mit einem Ja
beantworten. Denn war es nicht recht und gut, dass er Kathrin gewonnen hatte,
und nicht nur ihr Herz für

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