Zander, Judith
ja,
wahrscheinlich muss einer wie ich mit so was rechnen, das ist wie ein
verdammter Fluch oder so was, von den verdammten Beatles verfolgt, könnte nen
guten Filmtitel abgeben. Oder Help ! Vielleicht würd ich sie ja
auch mögen. So wie Romy. So wie Paul. Sie haben jetzt sämtliche Beatles-Alben
aus dem Karton gekramt und über den Boden verteilt und sich dazwischen hingepflanzt,
auf den »nackten Boden«. Da wurdste doch immer gleich angefurzt, »Ella, steh
auf!«. »Verköll juch nich den Mors!« Oma. Und die hier meckert keiner an, die
verkühlen sich einfach ihren Hintern und holen sich ne Blasenentzündung und
Hämorrhoiden und plappern sich die Titel der Alben vor. Ich bin gar nicht mehr
da. Wieder mal.
Doch, ich bin da, das ist es
ja grade. Ich kann nichts dafür! Vielleicht würd ich sie auch mögen, ich kann
mir das vorstellen, ja, kann ich. Aber nicht mit diesen Alten! Waren die
größten Beatles-Fans im ganzen Bezirk Neubrandenburg, und da auch noch stolz
drauf. Weiß der Fuchs, wie die an das Zeug gekommen sind, ohne
Westverwandtschaft, jedenfalls offiziell. Schön bescheuert, mit sonem Hobby
dann Lehrer zu werden, und noch gleich beide! Westpakete gabs nicht. Aber
einmal gabs Besuch, das muss kurz vor der Wende gewesen sein, ich kann mich
noch ganz gut dadran erinnern, und da warn die beide ja fast in Ohnmacht
gefallen.
Mutti hatte nämlich sone Art
Großcousine in Hamburg, und die hat wohl irgendwann rausgekriegt, dass sie
Verwandtschaft im Osten hat, und auch irgendwie die Adresse von Onkel Helmut,
und dann hat die dem einfach nen Brief geschrieben. Da hatte sie natürlich auch
gleich den Richtigen am Wickel. Weil, der hat sich in seiner schmierigen Art
nun gedacht, dass aus dieser Tante bestimmt irgendwas rauszuholen ist, so
geldmäßig, und hat die doch glatt eingeladen. Und dabei hat er ihr dann auch
gleich noch von uns erzählt und hat sich gar nichts dabei gedacht, das hat er dann
hinterher zumindest gesagt, und das wundert mich gar nicht, denn das war ja mal
ne Überraschung, wenn Onkel Helmut mal was denken würd. Und prompt kriegen wir
auch nen Brief von ihr, dass sie uns dann auch besuchen kommen will, wenn sie
da ist, und wie sie sich da schon drauf freut, und so weiter.
Ich seh noch, wie Mutti da
geguckt hat, und Vati ist total ausgerastet und hat sie angeschrien, was er
vorher noch nie gemacht hatte, war sonst eher umgekehrt. »Dein dämlicher
Bruder, son dämlichen Bruder kannst auch bloß du haben, hetzt uns deine
vermaledeite Tante aufn Leib, was will die denn hier, die hat doch keine
Ahnung, die stürzt uns noch alle ins Verderben stürzt die uns doch«, so was.
Und blöderweise hab ich gedacht, dass er recht hat, auch wenn ich gar nicht
genau wusste, wieso, aber wie er das so gesagt hat, das ging mir gar nicht mehr
ausm Kopp, ich hab wirklich Schiss gehabt und hab mir die ganz horrormäßig
vorgestellt, diese Tante von Mutti, und dann war mir Mutti auf einmal auch ganz
unheimlich, dass die so eine Tante hat. Und dass sie uns das nie gesagt hat,
wer weiß, wieso.
Das hat dann noch ne ganze
Zeit gedauert, und wir dachten schon, da passiert gar nichts mehr, die kommt
nie, und wir haben schon gar nicht mehr die ganze Zeit dadran gedacht, und
Onkel Helmut haben wir nicht mehr besucht, weil der jedesmal bloß davon
gequatscht hat und immer gesagt hat: »Die kommt!«, und gegrinst hat.
Aber dann war sie doch auf
einmal da. Onkel Helmut hat uns angerufen. Mutti hat zu ihm gesagt: »Spinnst
du, das geht nicht«, und so, aber Onkel Helmut könnt es der Tante ja schlecht
verbieten, was er zu Mutti auch gesagt hat und weshalb sie dann den Hörer
aufgeknallt hat und gesagt, dass Helmut für sie ein für allemal gestorben war.
Und kurz danach ist die auch tatsächlich bei uns angerückt und hat gesagt, wir
sollen »Tante Rosalind« zu ihr sagen, da musst ich lachen, aber sie hat nicht
gemeckert. Sondern mir was zum Naschen geschenkt und ein dunkelblaues Kleid,
das mir eigentlich schon zu klein war, aber ich hab das trotzdem immer
angezogen, solang es ging, obwohl ich sonst Kleider gehasst hab, aber das hab
ich mir immer angepellt, nur zu Hause natürlich, »damit kannst du doch nicht
rausgehn«, hat Mutti gesagt, bis der Reißverschluss geplatzt ist, und dann kams
aber auch sofort weg. Noch mehr hab ich Thorsten um seine Mütze beneidet, so
eine karierte, aber der war nun erst beschissen dran, weil draußen durfte er
die auch nicht aufsetzen, und drinnen mit Mütze, na ja. Zum Glück kam dann
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