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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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die
Wende. Aber das hat ja da noch keiner geahnt, und dann saß da diese Westtante
bei uns in der Wohnstube, und das ganze Dorf wusste schon Bescheid.
    Aber wo sie nun schon mal da
war, haben Mutti und Vati sich wohl so gedacht, können sie ihr auch ihre
Schätze zeigen, schließlich war sie die einzige Gelegenheit weit und breit. Das
wurde uns ja auch jeden Tag eingeschärft, dass wir das ja keinem erzählen
sollen, was wir für Musik zu Hause haben, weil sonst Mutti und Vati vielleicht
nicht mehr arbeiten dürfen und vielleicht ins Gefängnis müssen und Thorsten und
ich ins Heim. Zum Glück brauch ich das keinem zu erzählen, hab ich gedacht.
Aber manchmal hab ich mir versucht vorzustellen, wie es wohl so war im Heim.
    jedenfalls haben sie dann
Tante Rosalind ihre ganzen Beatles-Platten unter die Nase gehalten und waren
mächtig stolz dadrauf, die wollte aber, glaub ich, gar keine davon hören.
»Über das Alter bin ich ja nu schon raus, nech«, hat sie gesagt. Oma hat sich
gut mit ihr verstanden, »das is ne feine Frau«, hat sie zu mir gesagt, mit der
würde sie endlich mal ordentliches Deutsch reden können, und die würde das gar
nicht komisch finden. Ich hab mich bloß gewundert, woher Oma die Westsprache
kennt.
    Ich glaub, die ist gar nicht
so lange geblieben, höchstens zwei Tage oder so, aber jetzt im Nachhinein kommt
mir das wie ein endlos langer Besuch vor, weil wir alle die ganze Zeit nicht
wussten, was wir eigentlich machen sollen, wir konnten ja nun auch nicht mit
ihr die Dorfstraße rauf und runter. Thorsten und ich haben Mensch-ärger-dich-nicht mit ihr
gespielt und sie hat uns gefragt, wann wir Geburtstag haben und Mutti und Vati.
Mutti hat dann zum Schluss zu ihr gesagt, dass sie uns auf keinen Fall Pakete
schicken soll, aber die hat das wohl irgendwie falsch verstanden.
    Und so war dann das Ende vom
Lied, dass kurz vor Muttis Geburtstag ein ganz flaches Paket ankam, von Tante
Rosalind, und dadrin war eine Beatles-Platte, ich glaub, Help !. Da war das Theater erst
groß! Aber was wollten sie machen. Das Dilemma war nur, als Mutti die Platte
ganz vorsichtig aus der Hülle genommen hat, ist sie auf einmal in zwei Teile
auseinandergefallen. War ja klar, was passiert war, wahrscheinlich hatten die
bei der Post irgendein schweres Paket da draufplumpsen lassen, nur dass Mutti
jetzt dachte, dass die das extra und mit Absicht und »aus purer Missgunst«
gemacht hätten. Die hat total verrückt gespielt, die ganze Zeit rumgeheult,
dass mir am Ende auch ganz komisch wurd und ich beinah mitgeheult hätt, dabei
war ich ja eigentlich froh, sozusagen. Sie hat sogar versucht, die wieder
zusammenzukleben, aber ging natürlich nicht, schon gar nicht mit Kittifix . Aber ich seh sie da noch
sitzen, ganz steif, mit den Ellbogen schräg nach außen, und die beiden
Plattenteile aneinandergepresst, und man durfte nichts sagen. Ich musste mir so
das Lachen verkneifen, besonders als nach einer Stunde Rumsitzen und
Zusammenpressen das Ding dann wieder auseinandergeklappt ist, als sie
losgelassen hat! Hat die geheult, vor Wut!
    Ansonsten wahrscheinlich
Schwarzmarkt. Aber die mögen da bis heute nicht drüber reden, zumindest nicht
mit mir, »das is ja nu vorbei, Gott sei Dank«, sagen die maximal dazu, als wenn
die Schiss haben, dass da jetzt noch einer kommen und sie irgendwie dafür
belangen könnte, oder als wenn ich das nun immer noch rumerzählen könnte, »aus
purer Missgunst«! Sieht ja jetzt fast so aus, als ob sie Beweisstücke aus dem
Haus schaffen. Ich versteh das nicht. Ich mein, wozu denn erst der ganze
Aufwand. Und ein Akt war das immer, wenn Vati wieder mal sonnabends nachmittags
noch nach der Schule nach Berlin gefahren ist, was man denn auch wieder keinem
erzählen durfte. Und dann kam er mitten in der Nacht zurück, ich konnte nie
einschlafen, bis er nicht zurück war, obwohl er ja doch nie was andres
mitgebracht hat als eben irgendeine neue Beatles-Platte, und manchmal nicht mal
das. Die haben sie dann immer gleich noch nachts gehört, und ich hab das auch
gehört, und auch, was sie da nebenbei gemacht haben, und morgens gabs Frühstückseier
und Kuchen und die Beatles und ich hab auf mein Ei und meinen Kuchen geheult,
vor Wut, weil ich mir nun für die nächste Zeit sämtliche Wünsche, die ich so
hatte, gleich »abschminken« konnte.
    Für was andres hatten die nie
Geld übrig. Die andern kriegten ein Monchichi aus dem Intershop, und SAROTTI -Schokolade, bei uns gabs zu
Weihnachten Unterwäsche,

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