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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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Augenblick auf den anderen Dinge anders anzusehen,
nämlich als Müll und Mühlstein, lästig und unbrauchbar, und weg damit. Aus den
Augen und so weiter. Und trotz der vordergründigen Nützlichkeit und
vorgeblichen Schaffenskraft liegt eine destruktive Energie darin, die dir die
eigentliche Lust beschert und die dir geholfen hat, den Kuhstall zu überstehen.
Das Ausmisten war die einzige Arbeit, die dir Spaß machte, du hast sie zum
Erstaunen und Gelächter aller freiwillig übernommen, sie haben sich halb
totgelacht, als du die Forke schwangst, und sind in Deckung gegangen.
Vielleicht ist ein Derivat dieser Energie auf Peter übergegangen. Aber du hast
es mehr geerbt als gelernt, denn einer Anerziehung hättest du dich widersetzt.
Sie hat das gewusst und es gar nicht erst versucht. Aber nicht aus etwaiger
Furcht vor dir. Eher aus - Respekt. Im Übrigen war sie gegen dieses Formen nach
dem eigenen Bilde. Und vielleicht war sie stolz darauf, dass sie dir auch das
nicht beibringen musste. Denn das wuchs dir in Fleisch und Blut: Nie wolltest
du, dass etwas, einer so sei wie du. Es reichte ja, wenn du so warst. Schon das
schien oft zu viel. Du hättest dich oft gern selbst mit ausgemistet. Which
didn't work. At all. Das wäre ja etwas wie der sich selbst reinigende Besen
gewesen. Und an so eine Erfindung war nicht zu denken.
    Später, in Westberlin, hat man
aber versucht, dir einen abartigen Ersatz als genau das unterzujubeln. Du
hattest den Zettel mit der Adresse von einer Bekannten und zwirbeltest in der
Enge deiner Jackentasche kleine Stückchen davon ab, als du die aufgeschriebene
Straße in Charlottenburg entlanggingst und den Hausnummern nachschautest wie
abgerupften, zur Erde taumelnden Blütenblättern. Und wie früher wolltest du
nicht ganz verstehen, warum ausgerechnet das letzte die Wahrheit verkünden sollte;
du glaubtest es nicht, du zwangst dich dazu, es erregte dich.
    Man müsse der Wahrheit ins
Auge sehen, hatte Vicky zu dir gesagt, wenn das so weiterginge, würdest du
früher oder später »in der Geschlossenen landen«. Du warst dir nicht ganz
sicher, was sie zu diesem Schluss hatte kommen lassen. Sie war Schauspielerin
und nebenbei Sängerin oder umgekehrt, du wusstest es nicht genau, dieser
Mädchenzukunftstraum, noch dazu in seiner im Grunde noch lächerlicheren
Verwirklichung, hatte dich nie interessiert, und sie auch nicht besonders. Aber
sie kam oft in diese Kneipe, in der du gearbeitet hast, und mit der Zeit hast
du ihr einiges erzählt. Du hattest nicht den Eindruck, sie wolle dich
aushorchen. Du schienst sie auch nicht besonders zu interessieren. Ihr war
einfach langweilig, und das kanntest du. Neu war dir, dass diese Langeweile
etwas Verbindendes sein konnte. Einmal sagte sie: »Glaub bloß nicht, ich bin
eine von denen!«, und du hast erst gar nicht gewusst, was sie meint, warst aber
sofort ein bisschen enttäuscht. Dann, als du es zu wissen glaubtest, wich die
Enttäuschung zunächst einer kleinen Scham: sie auf so einen Satz gebracht zu
haben. Sahst du etwa aus wie »eine von denen«? Es war aber etwas anderes: Für Vicky
sahst du aus wie eine aus unvorstellbar tiefer Provinz. Vielleicht wusste sie
schon, dass ihre provinziellen Vorstellungen vom Großstadtleben kaum zutrafen.
Aber du hattest ja noch nicht mal diese Vorstellungen. Dir konnte man viel
erzählen. Vermutlich wirktest du beeindruckbar.
    Trotzdem kehrte die
Enttäuschung wieder, aber als eine strenger, leicht verdorben schmeckende, wie
über eine verpasste Gelegenheit, von der man im Nachhinein erfährt, dass man
nie die leiseste Chance hatte, sie nicht zu verpassen. Nicht, dass du dir viel
davon versprochen hättest. Aber es wäre immerhin mal etwas anderes gewesen als
die aus deinem Bett purzelnden Männer; manchmal war dir, als wäre da ein
unaufhörliches Purzeln aus deinem Bett, und du warst versucht, dich zu bücken
und nachzusehen, dir die Bescherung unter deinem Bett anzusehen und dir eine
Schippe zu schnappen und diesen ganzen Haufen aus verstreuten Männerteilen,
bestimmten Armen, Schwänzen, Mündern, Haupt- und Schamhaaren aufzuschippen und
aus deinem Mansardenfenster auf die Straße zwischen die Hundescheiße zu
schütten. Aber am Ende wären sie doch nur in der Dachrinne hängen geblieben wie
die tote Taube, die eine Zeitlang alles verstopfte. Dir war aufgefallen, dass
sie so gut wie keine Füße mehr hatte, und du fragtest dich, ob sie daran
gestorben war.
    Dem sogenannten Psychologen
erzähltest du einiges,

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