Zander, Judith
aber im Grunde hatte es wohl nie ganz den Tatsachen
entsprochen, Peter für unpraktischer zu halten als dich selbst, oder Anna
Hanske, die ja immerhin doch auch und vor allem Peters Mutter war. Das wirklich
Seltsame war nur dieser Slogan. Nix wie weg . Wer hatte sich das ausgedacht?
Peter war originell, gewiss. Aber auch genau, besonders mit Worten. Wie hatte
er denn nicht merken können, dass dieser Spruch nicht witzig ist, jedenfalls
nichts mit der dir bekannten Witzigkeit Peters zu tun hat, dass er nicht,
wirklich ganz und gar nicht zu einer Schädlingsbekämpfungsfirma passt, ja,
böswillig und richtig verstanden, die ganze Dienstleistung nicht nur dubios
erscheinen lässt, sondern ad absurdum führt, und, das fiel dir fast als Erstes
und Entscheidendes auf, dass er erst recht nicht zu Peter passt. Peter und Nix wie weg ! Wenn einer überhaupt
anwesend war, die ganze Zeit gewesen war und für jeden, dann er. After all war
er ja doch noch ein nützliches, beinah unentbehrliches Mitglied der
Gesellschaft geworden, der Stotter-Peter, nachdem er erst mal das Stottern sein
gelassen hatte. Und da war noch etwas, das mochtest du aber nicht zugeben. Das
andere hast du ärgerlich und lachend Michael erzählt. Das nicht. Na, sags schon:
Du fühltest dich enteignet. Beklaut. Lächerlich gemacht und beklaut und genau dadurch
lächerlich gemacht. Von deinem eigenen Bruder.
Die Male, die er hier war, dir
beim Aufräumen, Ordnen, Ausräumen geholfen hat, machten dich ratlos. Noch
immer kennt er sich mit allem besser aus als du. Aber das ist es natürlich
nicht. Das ist das Beruhigende. Du weißt nicht, was es ist, nur, dass du wie
als Kind keinen Namen für das hast und auch nicht haben willst, was vielleicht
noch nicht mal die Bezeichnung >Gefühl< verdient. Du fragst dich, albern,
aber eventuell aufschlussreich, ob Peter irgendwo einen Zwillingsbruder
aufgetrieben habe. Und er selbst wäre weg, weit weg, vielleicht nicht gerade in
»Jenseits«, aber doch weit genug, und nur der Firmenwahlspruch wäre als letzter
und schließlich doch noch ganz witziger Hinweis auf ihn geblieben. Und du
hättest es jetzt mit diesem Zwillingsbruder zu tun, der, ebenfalls als
Flüchtlingskind, aber ganz woanders, aufgewachsen wäre, etwas geordneter,
etwas akzeptierter, kein Stotterer, und trotzdem, wie die Zwillingsforschung
herausgefunden hat, in wesentlichen Zügen mit Peter übereinstimmen müsste, und
wie solltest du, nach mehr als zwanzig Jahren, da überhaupt einen Unterschied
merken. Aber du hast ihn bemerkt.
Peter hat zu dir gesagt, wenn
dir während der Tage, die du in diesem Haus seist, irgendetwas auffiele,
solltest du ihm Bescheid sagen, er würde dann »anrücken«.
»Was denn?«, hast du gefragt.
»Na, Ungeziefer, Schimmel, du
weißt schon.« Er hat gelächelt, als wäre ihm irgendetwas peinlich.
»Mutter« habe das ja nie
gewollt, dass er mal alles »auf Vordermann« bringe, das könntest du dir ja
denken, was sie davon gehalten habe, von »der ganzen Chemie«. Das konntest du.
Daneben auch, dass sie ihren Sohn nicht in dem roten Overall hatte sehen
wollen, mit der Schutzmaske vorm Gesicht, mit der Giftspritze in der Hand, mit
diesem Beruf.
Du hoffst, dass Peter morgen
vor »dem« kommt, dass der Tisch dann weg ist. Er passt zu gut hierher, etwas
anderes als dieser Tisch ist an der Stelle nicht denkbar, und du hast Angst,
das dies auch »der« finden und also nicht nur das Haus, sondern auch noch den
Tisch mit kaufen wollen könnte, um ihn genau hier stehen zu lassen, und das
willst du nicht. Es ist kompliziert, aber wohl ungefähr so: Du würdest darauf
reagieren wie auf den frevelhaften Wunsch von jemandem, in einem Museum wohnen
zu wollen. Nur eben umgekehrt. So wenig, wie du es guthießest, wenn einer
allein mehr von dem Museum hätte als alle anderen, sowenig behagte es dir,
wenn alle anderen, und das sind in diesem Fall alle außer dir, mehr, und
anderes, von diesem Museum hätten als du. Damit bist du noch nicht diejenige,
die im Museum wohnen will. Du willst es ja gerade nicht. Aber was soll unter
diesen Bedingungen dann noch für die anderen bleiben? Vielleicht ist es doch
einfacher, als du wahrhaben willst.
Es gibt nichts mehr zu tun,
dein Frösteln, der Schreck vorhin waren umsonst. Als ihr letzte Woche ankamt,
Peter euch die Tür aufschloss und sofort anbot, Kaffee zu kochen, hättest du
gerne gesagt, das sei nicht nötig. Er könne ruhig nach Hause fahren, seine Frau
warte doch bestimmt. Du wolltest allein
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