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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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aus, die sich sagen lässt, dass sie Depressionen
hat, zwangst du dich zu denken. Du wolltest dir nichts sagen lassen.
    Auf die Idee mit der
Abendschule kamst du selbst. Du musstest aber erst drauf kommen, dass nicht die
Schule das Unerträgliche gewesen war. Dass diese Abendschule nur entfernt
verwandt war mit der Schule in Schmalditz, mit der EOS in Anklam. Dass es diese
Orte gar nicht mehr gab. Dass es eigentlich gar keine Schule sein würde.
    Es fiel dir nicht leicht. Aus
der freiwilligen Beschäftigung wurde eine Anstrengung, die nach den acht
Stunden im Cafe deine Abende ausfüllte. Aber sie füllte sie aus, das war schon
etwas. Du dachtest an die Studenten im Cafe. Du hast ja ein Z iel vor den A ugen . Das war neu. Das hatten sie
all die Jahre nicht geschafft. Du wolltest neu sein.
    Und möglichst allein. Du
wolltest sogar wieder allein ins Bett gehen können. Nach einem viertel Jahr
Abendschule war es so weit. In deiner Klasse gefiel dir keiner, und offenbar
gefielst auch du keinem. Das war gut, das musstest du dir nicht mehr sagen. Du
spürtest in jeder Faser, dass du sofort alles hinschmeißen würdest, wenn
irgendwas dich aus dem Tritt brächte, dem Rhythmus aus hastigen, fettfleckigen,
oft unterbrochenen Hausaufgaben während der Stunden im Cafe und den
langwierigen abendlichen Kämpfen mit Zahlen, Begriffen, Vokabeln, die immer
aufmüpfigere Verbindungen gegen die Ordnung der Hefte eingingen, je näher du
dem Einnicken warst.
    Zwei Jahre hattest du nichts.
Du fühltest dich absolut trocken, deine Haut kam dir staubig vor. Beim
Abschlussfest trankst du mit jedem auf dein Zweikommaeins-Abi. Du gingst mit
dem weichen Klaus aufs Klo, später mit Roland. Roland gabst dus richtig. Seine
Lippen waren so spröde, dass sie aufrissen, als du mit deinem Nagel
drüberfuhrst. Er wollte dich küssen, aber du drücktest ihn weg, und er plumpste
auf den Klodeckel. Du starrtest auf seine Hose und er zog sie sofort aus.
Roland gehorchte. Seinen Schwanz zwischen den Mahlsteinen deines Gaumens und
deiner Zunge keuchte er immer wieder »Ingrid, Mensch, Ingrid!«, aber du
machtest unbeirrt weiter, ließt deine Zähne spüren, dass er einen hohen,
kehligen Laut von sich gab, und als du merktest, dass er im nächsten Augenblick
so weit sein würde, ließt du ab von ihm, entriegeltest die Klotür und gingst
rüber zum Waschbecken, um dir den Mund auszuspülen. »Mensch, Ingrid, was ...«,
rief Roland und fluchte und zog die Klotür wieder zu, und du konntest hören,
wie er dein Werk zu Ende brachte. Als er rauskommen wollte, standest du vor der
Tür und schubstest ihn zurück in die Kabine, auf den Deckel, öffnetest seine
Hose, setztest dich auf ihn und schobst dir seinen noch nicht ganz erschlafften
Schwanz rein. Etwas anderes als dein Name fiel ihm auch dieses Mal nicht ein.
Erstaunlicherweise wehrte er sich kaum, quiekte nurmehr. Du bereitetest ihm
Schmerzen. Schmerzen. Ja. Roland. Es ging leicht, du kamst schnell und zornig
und danach versetztest du ihm noch ein paar Stöße und spürtest einen Wurm aus
dir herausgleiten, und der Ekel ließ dich flüchten. Er konnte nichts dafür.
Aber wenn er nun mal so hieß.
    Der Mathelehrer fuhr dich nach
Hause. Er fragte, ob du ihm vielleicht einen Kaffee machen könntest. »Fräulein
Ingrid.« Nein, sagtest du und fasstest ihm in den Schritt. Sein Mercedes war
geräumig genug.
    Am nächsten Tag meldetest du
dich krank im Cafe. Man hatte Verständnis. Du bliebst drei Wochen im Bett. Dein
Kühlschrank gab nicht viel her, also gingst du einmal in den winzigen Laden an
der Ecke, brachtest aber hauptsächlich Kekse mit. Die Wurst war angegammelt, du
aßt sie, ohne etwas zu schmecken. Das bisschen Schimmel am Brot würde dich
schon nicht umbringen. Und wenn schon. Als du tagsüber nicht mehr schlafen
konntest, sahst du nach, wie lange die Schlaftabletten reichen würden. Du
schüttetest sie vor dich auf die Matratze und legtest eine weiße Perlenkette
daraus. Du hättest sie gern um den Hals gehabt, kühl. Vorsichtig entferntest du
eine Perle, stecktest sie dir in den Mund und spültest sie mit der Flüssigkeit
hinunter, die sich im Glas auf deinem Nachttisch befand. Es hätte Wodka sein
können, aber sicher warst du dir nicht. Die fehlerhafte Kette kam dir unsinnig
vor. Du aßt sie auf. Du wusstest, wo der Fehler lag. Sie war nicht lang genug.
Aber egal. Nach ungefähr hundert Jahren klingelte das Telefon.
    Eine Stimme sprach direkt in
deinen Magen hinein, was du angesichts deines

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