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Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Titel: Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Renner
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gelassen. Habe Swift im Stich gelassen. Und den kleinen Tribut, der neben dir stand und mit großen traurigen Augen zu dir aufschaute, aber dennoch so voll der Hoffnung, wie nur Kinder sie niemals aufgeben.

11
    F ast eine Woche vergeht, ohne dass etwas passiert. Ich verhalte mich so unauffällig wie möglich, erscheine jeden Morgen pünktlich in der Akademie, folge dem Unterricht aufmerksam und konzentriert. Nachts liege ich die Hälfte der Zeit wach, und bei jedem Geräusch oder plötzlich auftauchenden Lichtschein schrecke ich zusammen.
    Ich habe Otter seit dem Tag im Dachgeschoss nicht mehr gesehen. Bei dem Gedanken an ihn schaudert es mich. Aber er kann meinem Vater nichts erzählt haben. Hätte er es getan, dann … Nur, warum schweigt der Hüter? Oder hat er ihm etwa doch davon berichtet und Benedict wartet bloß darauf, dass ich mich noch einmal ins Gefängnis schleiche, um mich auf frischer Tat zu ertappen?
    Eine weitere Woche vergeht. Ich sehe Otter ein paarmal von Weitem, und einmal erhasche ich einen flüchtigen Blick auf Aidan, als er, von seinem Lehrling wie ein Schatten verfolgt, von drei Wächtern zu seiner Werkstatt geführt wird. Meine Angst ist immer noch viel zu groß, um Kontakt zu den Erkenntnissuchenden aufzunehmen.
    In der dritten Woche, als die Strahlen der Frühlingssonne immer wärmer werden, kehrt mein Mut zurück. Ich scheine nicht unter Beobachtung gestellt worden zu sein, und wenn ich nicht endlich etwas tue, muss ich damit fertig werden, dass ich die Versprechen, die ich Swift und Aidan gegeben habe oder mir selbst, nie einlösen werde. Ich gehe auf den Markt und spreche mit Bruin, der mir meinen nächsten Auftrag erteilt: Ich soll einen Weg finden, noch einmal mit dem Erschaffer zu sprechen. Aber wie soll ich das anstellen? Das Risiko, Aidan ein zweites Mal nachts im Gefängnis aufzusuchen, kann ich nicht eingehen. Und in seiner Werkstatt wird er bewacht. Doch dann fällt mir ein: Es gibt eine Uhr, die zu groß ist, um sie ins Dachgeschoss zu tragen.
    Es ist Neumond – eine Spionen wohlgesonnene Zeit. Ich schleiche mich durch stockdunkle Korridore zur Bibliothek meines Vaters und inspiziere sein Tagebuch. Swift hatte recht: Benedict hält alles schriftlich fest. In ein paar Tagen beginnt Aidan mit der Reparatur der Großen Uhr.
    Als es so weit ist, stehle ich mich noch vor dem Morgengrauen in den Ratssaal. Der aus altem Eichenholz geschnitzte, teerfarbene Thron des Erzmagiers ist in den Sockel der Großen Uhr eingebettet und wird von hohen Marmorsäulen flankiert, die das runde Gesicht – golden und ernst – der Göttin Zeit stützen. Ein gewaltiger, schmiedeeiserner Zeiger gibt die Stunden an. Der Mechanismus wird von einem Pendel aus massiver Bronze angetrieben, das sich seit über einer Generation nicht mehr bewegt hat.
    Dem Thron gegenüber befinden sich die zwölf Sitze des Rats, die auf einem halbkreisförmigen Podium angeordnet sind, und in den Steinboden dazwischen ist genau in derMitte eine runde Platte aus Eichenholz eingelassen. Ich hebe die Platte an und starre in einen mannstiefen Schacht, dessen gewölbte Wände mit schwarzem Marmor verkleidet sind.
    Der Anklage-Schacht. In dem unkluge oder unglückselige Magier ihr Leben lassen. Wo diejenigen stehen, die des Aufruhrs, des Verrats oder der Ketzerei bezichtigt worden sind, während ihre Vergehen aufgelistet werden und das Urteil verkündet wird. Meine Mutter muss hier unten gestanden und nach oben gestarrt haben, um zu sehen, wie der Mann, den sie einst liebte, sie zum Tode verurteilte.
    Wie viele haben sich dafür entschieden, lieber kämpfend zu sterben, als sich dem Unausweichlichen zu fügen? Kein Magier, ganz gleich wie machtvoll, hat diesen Raum je lebend verlassen, nachdem sein Todesurteil verkündet wurde. Hat meine Mutter gekämpft oder sich gefügt? Ich werde es nie erfahren.
    Bei dem Gedanken an das, was ich jetzt tun muss, bekomme ich weiche Knie, und ich lasse mich eilig den Schacht hinuntergleiten, bevor ich es mir noch einmal anders überlegen kann. Als meine Haut den kalten Marmor berührt, zucke ich zusammen. Mein Herz hämmert gegen meine Rippen, und kaum dass ich unten angekommen bin und zu dem Lichtkreis über mir aufschaue, würde ich am liebsten sofort wieder hinausklettern. Stattdessen schiebe ich die Platte von innen wieder an ihren Platz zurück.
    Als sie sich mit einem dumpfen Ton schließt, steigt Panik in mir auf. Ich hasse die Dunkelheit, habe sie schon immer gehasst. Aber ich bin kein

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