Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Genugtuung erfüllen, wenn er wüsste, wie verletzt ich bereits bin. Ich setze zu einer Erwiderung an …
»Ihr seid in den Kerker eingebrochen?« Der Hüter hat seine Stimme nicht länger unter Kontrolle und verstärkt schmerzhaft seinen Griff um meinen Arm. »Um einen hübschen kleinen Plausch mit einem Erschaffer zu halten? Närrin! Habt Ihr auch nur die leiseste Ahnung davon, was für ein Risiko Ihr eingegangen seid? Wie seid Ihr überhaupt dort hineingekommen?«
Ich blicke von ihm zu Aidan. Der Erschaffer hat uns beiden den Rücken zugekehrt, aber er hört aufmerksam zu. Ich spüre, wie verraten er sich fühlt, wie außer sich er ist, schlimmer noch: wie seine Hoffnung Verzweiflung weicht.
»Ob du mir nun glaubst oder nicht, Aidan – ich bin nicht von meinem Vater geschickt worden.«
Dann sehe ich den Hüter an.
Was ich am meisten gefürchtet habe, ist eingetreten. Mein Vater wird von meinem nächtlichen Besuch in der Zelle des Erschaffers erfahren und mich einem Verhör unterziehen. Er ist schon einmal in meinen Geist eingedrungen, um mich einer Lüge zu überführen, ich zweifle nicht daran, dass er es wieder tun wird, wenn ich ihn nicht davon überzeugen kann, dass ich dem Erschaffer aus reiner Neugierde hinterherspioniert habe.
Ich schließe die Augen bei der Erinnerung daran, was er mir in jener Nacht angetan hat. Auf meiner Stirn und über meiner Oberlippe bilden sich Schweißperlen, und einen Moment lang ist das Bedürfnis, mich zu übergeben, beinahe übermächtig.
Selbst wenn mein Vater mir glaubt, dass ich bloß neugierig war, selbst wenn ich nicht sofort als Ketzerin enttarnt werde, wird er mich für meinen Ungehorsam hart bestrafen. Das Mindeste ist, dass ich wochen- und monatelang unter ständige Beobachtung gestellt werde. Ich werde für die Erkenntnissuchenden nicht länger von Nutzen sein.
»Zara?«
Ich hebe das Kinn, um dem Hüter in die Augen zu schauen. »Es tut mir leid.« Ich wähle meine Worte mit Bedacht. Noch habe ich eine winzige Chance … oder?
Otter blickt mich aufmerksam an, sein Gesicht ist wieder eine unleserliche Maske.
»Das war dumm von mir«, fahre ich fort. »Ich habe mein ganzes Leben lang immer nur von den Erschaffern gehört,da wollte ich endlich einmal einen mit eigenen Augen sehen. Es tut mir aufrichtig leid und wird nicht wieder vorkommen. Bitte …«
Es fällt mir so schwer, die Worte über die Lippen zu bringen. Ich bin es nicht gewohnt zu bitten. Und es ist ohnehin nutzlos. Ich weiß nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe mache – Otter gehört meinem Vater mit Leib und Seele. Ich tue es trotzdem: »Bitte belästige meinen Vater nicht mit einer solchen Dummheit. Er hat Wichtigeres zu tun, als seine Zeit mit so etwas zu vergeuden.«
»Versprechen kann ich nichts, Lady Zara«, erwidert er mit undurchschaubarer Förmlichkeit und lässt endlich meinen Arm los. Das dumpfe Pochen kündigt einen weiteren blauen Fleck an, und ich reibe flüchtig über die schmerzende Stelle, während ich zu ihm aufblicke und vergeblich in seinem Gesicht zu lesen versuche, welches Los mich erwartet.
»Ich warne Euch, Lady Zara.« Die Stimme des Hüters ist voll kalter Bestimmtheit. »Solltet Ihr es noch einmal wagen, Euch nachts in den Kerker zu schleichen, wird Euer Vater es herausfinden. Und es wird ihm nicht gefallen. Ich schlage vor, Ihr macht Euch auf der Stelle auf den Weg in die Akademie und überlegt es Euch in Zukunft gründlich, bevor ihr noch einmal eine derartige Torheit begeht.«
Unsicher stolpere ich vor ihm zurück. Heißt das, er lässt mich noch einmal davonkommen? Ich habe keine Ahnung. Aber jede Faser meines Seins schreit danach, von hier zu verschwinden, von ihm zu verschwinden. Da dreht Aidan sich zu mir um. Auf seinem Gesicht liegt ein überraschter und verwirrter Ausdruck, und seine Augen weiten sich, als unsere Blicke sich begegnen und ihm klar wird, dass er unsbeinahe verraten hätte. Doch dann lässt der Schreck nach, und ich spüre, wie er wieder zu hoffen beginnt.
Ich wirble herum und laufe davon. Fliehe aus dem Dachgeschoss, die Dienstbotentreppe hinunter und aus dem Palast hinaus. Die Röcke meiner Robe flattern hinter mir her wie gebrochene Flügel. Die Panik vor Benedict ist mir auf den Fersen. Doch trotz meiner eigenen Angst sehe ich noch vor mir, wie der Erschaffer den Tribut-Jungen tröstet, und das Bild brennt sich mir in die Seele.
Gib die Hoffnung auf, Erschaffer! Ich habe versagt und bin nutzlos geworden. Ich habe dich im Stich
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