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Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Titel: Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Renner
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gebe ich schnippisch zurück.
    Der Wolfshund kneift warnend die Augen zusammen. »Hüte deine Zunge, Zara.«
    Einen Moment lang empfinde ich eine absurde Freude darüber, dass er mich nie »Magierin« nennt. Ich bin ein Mensch für ihn, auch wenn er diesen Menschen nicht mag. Doch dann spricht er weiter und alle meine Gedanken verlassen wie aufgescheuchte Fledermäuse meinen Kopf.
    »Der Herrin fehlt es gänzlich an Humor, wenn es um dich geht, also bleib gefälligst höflich. Ich soll dich auf der Stelle zu ihr bringen, damit du deine Befehle entgegennehmen kannst. Es wartet Arbeit auf uns, auf dich und mich.«
    Die Sonne hängt wie eine funkelnde Messingscheibe am weißen Himmel. Graugrüne Zedernbäume sprenkeln die Abhänge der nahe gelegenen Berge. Ich hebe wie ein blindes Kätzchen das Gesicht, als ich nach dem langen Marsch aus einem dunklen Seitenausgang der Katakomben trete, und genieße die Strahlen auf meiner Haut. Der Wind trägt den Duft von warmem Zeder mit sich, von Thymian und wildem Rosmarin. Von Wachstum und Leben. Nach acht Wochen in der Stadt der Toten.
    »Wunderschön.« Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, seit ich das letzte Mal das Antlitz der Erde gesehen habe.
    »Ja.« Der Wolfshund steht neben mir am Höhlenausgang und blickt in das Tal hinunter, das sich vor uns ausbreitet. Nachdem er mir eine kleine Verschnaufpause gegönnt hat, stellt er den Käfig vor uns auf dem Boden ab. Der Zwergfalke, der darin sitzt, trippelt unruhig hin und her und schüttelt gereizt seinen mit einer Haube verhüllten Kopf. »Das Leben sollte eigentlich genügen, denke ich immer.« Er öffnet den Käfig, holt den Greifvogel auf seiner mit einem Stulpenhandschuh geschützten Hand heraus und steht dann mit der unheimlichen Reglosigkeit eines Diebs da, während er mit dem Zeigefinger die Brust des Vogels streichelt. »Aber das tut es leider nicht. Du kannst deinen Vater bei Gelegenheit fragen, warum. Und dann kannst du ihn töten.«
    Unsere Blicke begegnen sich.
    »Du glaubst nicht daran, dass wir als Sieger aus diesem Krieg hervorgehen.« Ich lese ihm die Zweifel vom Gesicht ab.
    »Vielleicht schaffen wir es sogar.« Er zuckt mit den Achseln.»Aber das Wichtigste für mich ist, sich zu wehren und zu kämpfen. Ich mag’s, mit den ganzen Knochen da unten zu leben.« Er nickt mit dem Kopf Richtung Höhle. »Tot ist tot, das wird mir dort jeden Tag aufs Neue bewusst. Worauf es ankommt, ist, wie man lebt. Die Angst macht uns schon länger zu Sklaven, als der älteste von den Knochen da unten sich erinnern kann. Aber jetzt kämpfen wir. Und das ist gut, egal ob wir gewinnen oder verlieren.«
    Er deutet über das Tal zu den Gebirgsausläufern am Fuße der Stadt. »Uns wurde zugetragen, dass sie sich am Tempel dort versammeln.«
    »Der Tempel der Zeit.«
    Er hebt gleichgültig die Schultern. »Wenn Benedict die Versammlung aus Angst vor Spionen dort abhält statt in der Stadt, muss es wichtig sein. Der Rat der Erzmagier …«, knurrt er bedrohlich und sieht mich dann beinahe beschwörend an. »Flieg los und lausche, mein kleiner Vogel, und erzähl uns bei deiner Rückkehr, was du gehört hast.« Er hebt den Arm an, auf dem der Falke sitzt. »Bist du so weit? Kennst du dich dort aus?«
    Ich nicke. Seit ich denken kann, habe ich bei jeder Sommersonnenwende am Opferfest zu Ehren der Göttin Zeit teilgenommen. Ich kann den Ort schon vor meinem inneren Auge sehen – den breiten Pfad, der zu dem runden weißen Tempel auf der Hügelkuppe führt, die staubigen Marmorquader, auf denen ich als kleines Mädchen mit müden, schmerzenden Beinen stand, das laute Zirpen der Grillen, den kleinen Olivenhain, dessen knorrige Bäume die Hügelspitze wie Wächter umringen. Dorthin werde ich fliegen. Zu den Olivenbäumen.
    Ich lasse den Blick ein letztes Mal über das Tal wandern, dann setze ich mich mit gekreuzten Beinen auf den Boden und trenne mit erwartungsvoll klopfendem Herzen einen dünnen Bewusstseinsfaden ab.
    Als Marcus dem Falken die Haube abnimmt, dringe ich in seinen Geist ein.
    Wir breiten trotzig kreischend unsere Flügel aus und heben in die Luft ab, um den Himmel zu begrüßen. Immer höher steigen wir auf, bis wir sehen können, wo die Erde sich krümmt, um sich mit dem entfernten Ozean zu treffen. Wir kreisen suchend im Aufwind. Dort. Dort ist es gut. Wir legen die Flügel an, schießen herab. Die Krallen sind angezogen, der Blick schweift. Und plötzlich: Beute! Ein Hase hoppelt über einen grünen Abhang und der Falke

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