Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
an mich gewandt hinzu.
»Das glaube ich nicht!«
Ich blicke von dem Erkenntnissuchenden zur Diebin. Sie sind fest davon überzeugt, recht zu haben. Aber ich kenne Benedict. Der Einfallsreichtum meines Vaters, was Intrigen angeht, kennt keine Grenzen. Was bezweckt er damit, dass er seinen Hüter auf die Diebe angesetzt hat? Denn dass Otter auf seine Anweisung handelt, daran hege ich nicht dengeringsten Zweifel. Ich bin eine Magierin, ich weiß, was sie nicht wissen. Weiß, was es für ein Tribut-Kind bedeutet, wenn es dazu auserwählt wird, zum Hüter ausgebildet zu werden. Ein junger, formbarer Geist, der brutal gesäubert wird. Die harte körperliche Züchtigung. Ich weiß, wie viele daran zerbrechen und aussortiert werden.
Aber Otter hat dich zusammen mit Aidan erwischt, hält eine Stimme in meinem Kopf dagegen. Er hat dich damals nicht verraten. Vielleicht hat Floster recht und er ist tatsächlich auf unserer Seite.
Nein! Otter ist der Hüter meines Vaters. Mehr muss ich nicht wissen.
»Ihr dürft ihm nicht trauen!« Ich sehe Floster und Philip eindringlich an. »Mein Vater hat ihn hier eingeschleust. Ich weiß, dass es so ist. Ihr versteht das nicht. Hüter können ihren Magier nicht betrügen. Das ist … unmöglich. Sie würden sterben oder wahnsinnig werden. Es ist einfach ausgeschlossen!«
»Nehmen wir einmal an, du hättest recht«, sagt Floster. »Das würde bedeuten, dass Benedict über die Katakomben Bescheid weiß. Aber warum hat der Erzmagier dann noch nicht seine Armee geschickt, um uns zu vernichten?« Sie schüttelt den Kopf. »Nein, Magierin. Du bist diejenige, die sich irrt. Nicht Benedict hat hier die Oberhand – sondern ich. Otter wird mir helfen, den Teufel aus Asphodel zu vertreiben.«
Ihre Stimme hallt schroff von den Wänden der kleinen Kammer wider und bohrt sich in meinen schmerzenden Kopf. Ich habe mich getäuscht: Floster ist keine Verräterin. Ich werde nicht sterben … noch nicht. Aber was ist mit Otter? Weiß er, dass ich lebe?
»Bitte erzählt ihm nicht, dass …« Meine Stimme versagt und ich lehne mich stöhnend zurück. Mein Kopf fühlt sich an, als hätte sich ein ganzes Heer von Trommlern darin versammelt. Warum ist mein Vater noch nicht in die Katakomben eingefallen? So viele Fragen … aber ich bin zu müde, um darüber nachzudenken.
Plötzlich steht Meisterin Quint wieder im Raum. »Das ist genug für heute. Seht Ihr denn nicht, dass sie dringend Ruhe braucht?«, rügt sie Philip und Floster vorwurfsvoll und scheucht sie wie verirrte Küken aus der Kammer.
Erschöpft schließe ich die Augen. Morgen … Morgen werde ich es verstehen. Dann finde ich eine Antwort auf all die offenen Fragen.
22
Z wei Tage später scheint mein Kopf zwar nicht mehr wie ein überreifer Kürbis kurz vor dem Platzen zu sein, aber ich verstehe immer noch nicht, warum Otter in den Katakomben war oder Floster sich so sicher ist, dass sie ihm vertrauen kann. Also warte ich darauf, dass etwas passiert, und gebe mein Bestes, nicht wahnsinnig zu werden.
Ich lese mich durch Philips kleine Büchersammlung und versuche, nicht an Aidan zu denken, was mir jedoch mit jedem Tag schwerer fällt. Er muss glauben, dass ich tot bin. Kümmert es ihn? Denkt er noch an mich? Hat er die Hoffnung, gerettet zu werden, schon aufgegeben? Ist er überhaupt noch am Leben?
Unruhig springe ich von meiner Pritsche auf und presse stöhnend die Hände an den Kopf, als ein pochender Schmerz mich daran erinnert, ruckartige Bewegungen lieber zu vermeiden. Wenigstens stehe ich, als ohne Vorwarnung die Tür aufgeht und der Wolfshund hereinkommt.
Es ist das erste Mal seit jener Nacht, in der ich mich in den Katakomben verirrt habe, dass ich ihn sehe. Die Hautum sein linkes Auge ist gelblila verfärbt, und die Miene, mit der er mich ansieht, ist alles andere als wohlwollend. Ich vermute, dass das blaue Auge noch das Harmloseste ist und sein Kopf vielleicht noch mehr gelitten hat als meiner.
»Ich … es tut mir leid … Ich wusste nicht, dass du es bist.«
Kein Muskel rührt sich in seinem Gesicht, als wäre es aus Holz geschnitzt. Ich seufze innerlich auf und füge hinzu: »Ich war außer mir vor Angst und habe mich wie eine Närrin benommen.« So, jetzt ist es heraus.
Der Wolfshund lächelt … zumindest glaube ich, dass es ein Lächeln war, was da für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen war. Aber seine Züge sind nicht mehr ganz so maskenhaft.
»Du wirst gebraucht.«
»Oh, das ist ja mal etwas ganz Neues«,
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