Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
setzt zum Sturzflug an.
Unbarmherzig reiße ich den Geist des Raubvogels zurück. Wir geraten ins Trudeln. Einen Moment lang weist die Luft uns ab und wir fallen. Ich breite die Schwingen aus und zwei kräftige Schläge später haben wir unseren Kurs wieder aufgenommen und fliegen auf die Olivenbäume zu.
Als wir uns dem Hügel nähern, sehe ich sie kommen. Sieben Erzmagier reiten aus sieben unterschiedlichen Richtungen auf den Tempel zu. Jedem von ihnen folgt ein kleiner Tross Tribut-Wächter, deren bronzene Helme im Schein der Mittagssonne funkeln. Sie sind wie Kutschpferde nach Größe geordnet. Männer und Frauen marschieren in perfektem Gleichschritt, die geschulterten Speere heben und senken sich rhythmisch. Ich höre das Stampfen ihrer Ledersohlen auf der Erde wie Trommelschläge.
Ich muss mich beeilen. Wir pflügen blitzschnell durch dieLuft, kreisen einmal über den Hügel und spähen den Tempel aus. Er besteht aus kreisförmig angelegten Marmorquadern, zerklüftet von der Zeit und mit sonnenbadenden Eidechsen besiedelt. Sie huschen in Sicherheit, als die Spitze unseres pfeilförmigen Schattens sie berührt. Ich halte nach einem geeigneten Baum Ausschau. Dieser ist gut. Seine arthritischen Äste recken sich Richtung Tempel und bieten gleichzeitig Schutz. Gleiten. Kürzer werdende Flügelschläge. Landen. Den Zweig mit kräftigen Krallen umschließen, das Gleichgewicht ausbalancieren, unter schützende silberne Blätter rücken. Und warten …
Die Marschgeräusche verstummen. Die Wächter sind auf halbem Weg den Hügel hinauf zurückgelassen worden. Vieh ist es nicht erlaubt, die Tempelanlage zu betreten. Unsere scharfen Falkenohren hören, wie ein Erzmagier nach dem anderen den Pfad zum Tempel erklimmt.
Mein Vater kommt als Erstes in Sicht und ich bin dankbar für die fremde Wesensart des Raubvogelgeists. Trotzdem flammt der Zorn des Mädchens Zara auf und frisst sich wie ein Flächenbrand durch uns hindurch. Es braucht meinen ganzen Willen, um unseren Körper ruhig zu halten. Unsere Klauen schmerzen vor Verlangen, ihn zu zerfleischen. Ihm seine kalten Eidechsenaugen auszukratzen und das Herz aus seinem Körper zu reißen. Wir zittern und sträuben unser Gefieder, verfolgen jede seiner Bewegungen mit wachen Falkenaugen. Und sind dankbar, dass nicht einmal ein Großmeister einen anderen Magier im Körper eines Tiers spüren kann. Mir droht keine Gefahr, entdeckt zu werden – solange keiner der Magier versucht, den Falken selbst zu benutzen. Das Beste wäre es also, sie merken erst gar nicht,dass wir hier sind. Ich festige meinen Griff um den Geist des Falken.
Mein Vater nimmt den meisten Platz in Anspruch, direkt unter meinem Baum. Er stellt einen Weidenkorb neben sich ab, dann bleibt er schweigend stehen und blickt den anderen Erzmagiern entgegen.
Ich erkenne sie alle wieder. Merze ist die Jüngste. Eine groß gewachsene Frau aus dem Norden mit den für diese Region typischen flachsblonden Haaren und funkelnden blauen Augen. Sie nickt meinem Vater zu und lächelt kaum merklich, als ihr seine gebieterische, raumgreifende Haltung auffällt. Dann dreht sie sich zu Goddart und Tressam um, die nach ihr die Tempelanlage betreten und gerade in eine angeregte Unterhaltung vertieft sind. Der geschwätzige, untersetzte Goddart ist früher einer meiner Lieblingsbesucher im Palast gewesen. Er hatte immer ein nettes Wort für mich und kleine süße Köstlichkeiten im Gepäck. Tressam dagegen ist groß und hager und hat ein scharf geschnittenes, finsteres Gesicht.
Schließlich haben auch die letzten drei den Hügel erklommen. Wonset ist die Älteste unter den Erzmagiern und hatte vor meinem Vater das Amt als Oberhaupt der Magier-Allianz inne. Eine Furcht einflößende Frau mit einem vom Alter gebeugten Rücken, weißem Haar, das an gebleichtes Leinen erinnert, und Augen, die wie Gletschereis in einem unheimlichen Blaugrün leuchten. Sie hat nie einen Hehl aus ihrer Abneigung gegen mich gemacht, und ich wusste, auch ohne dass man es mir jemals hätte sagen müssen, dass sie meine Mutter gehasst hat.
Falu wiederum ist so aufrecht wie ein Baum. Groß und immernoch dunkelhaarig, obwohl sie älter ist als mein Vater, eine stille Frau mit einem eisernen Willen. Und als Letzter kommt, schmallippig und schweigsam, Aris.
Aris der Blutsauger, wie ihn das Vieh nennt. Berüchtigt selbst unter Magiern als Viehmörder, Schänder und Folterer. Seine Grausamkeit umweht ihn wie der Gestank verwesender Kadaver, und als sich
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