Zarias Geheimnis
beide noch ein Jahr warten müssen.«
Leona zuckte zusammen. »Ich bin vor sechs Monaten vierzehn geworden. Ich warte schon seit …«
»Frau Danburit«, mischte sich Blutstein ein. »Das wäre doch eine allzu harte Strafe für Leona, meinen Sie nicht?«
Beryl wirbelte herum. »Diese Mädchen haben die Gesetze, die wir sie zu respektieren gelehrt haben, mit Füßen getreten. Haben Sie einmal daran gedacht, was sie hätten anstellen können, wenn sie Zauberstäbe bei sich gehabt hätten?«
Blutstein sah verärgert aus. »Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass es äußerst unvernünftig von Zaria war, Leona zu einem Ausflug auf die Erde anzustiften. Aber ich bin mir hundertprozentig sicher, dass Leona lediglich versucht hat, einer unbedarften Freundin zu helfen.«
Leona schüttelte den Kopf. » Ich habe Zaria dazu gedrängt.«
»Die Schuld für euch beide auf dich zu nehmen, ist sehr edel von dir«, erwiderte Blutstein. »Aber ich erkenne eine erdbesessene Elfe sofort, wenn ich sie sehe. Und das trifft auf Zaria zu – nicht auf dich, Leona.« Er warf mir einen angewiderten Blick zu, als ich unter Schmerzen vom Sand aufstand. Mein Oberkörper fühlte sich wund an.
»Was ist passiert, Zaria?«, fragte Beryl.
Ohne zu antworten, senkte ich den Blick, da ich ihr nicht in die Augen sehen wollte.
»Die Mädchen sind gleichermaßen schuldig«, verkündete sie. »Sie müssen gleichermaßen bestraft werden.«
»Das ist ein Fehler«, wandte Blutstein ein. »Wenn Sie jedoch auf die gleiche Bestrafung bestehen, sollen diese törichten Elfen ihre Uhren und Zauberstäbe ruhig morgen erhalten … aber mit eisernen Ketten um die Flügel.«
Ich konnte es kaum glauben. Warum stimmte Blutstein einer Bestrafung seiner über alles geliebten Nichte zu? Und einer harten Bestrafung noch dazu. Es musste etwas mit mir zu tun haben. Ihm war unsere Freundschaft schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Hoffte er, sie ein für alle Mal zu beenden?
Bis zu dem Augenblick, als Beryl mich mit dem Eisenstab traf, den sie weiter in der Hand hielt, hatte ich die Wirkung von Eisen noch nie am eigenen Leib erlebt. Ich konnte den stechenden Schmerz an der Stelle, wo er meine Brust berührte hatte, immer noch spüren. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, welche schrecklichen Qualen mir Eisenfesseln um meine Flügel bereiten würden.
Ich blickte beunruhigt zu Beryl und wartete auf ihre Antwort. Auch wenn ich große Angst vor dem Eisen hatte, ertrug ich lieber einen schmerzerfüllten Tag, als ein weiteres Jahr auf meine Uhr und meinen Zauberstaub warten zu müssen.
Beryl stand schweigend da; es war Leona, die als Erste sprach: »Du willst, dass ich vor den Würdenträgern des Rates in Eisen gelegt werde?« In der Dämmerung wirkten ihre silbernen Flügel bleiern.
»Das wird dir eine Lehre sein«, erwiderte Blutstein, »dich mit einer erdbesessenen Elfe einzulassen. Frau Danburit? Sind Sie einverstanden?«
Ich war fest überzeugt, sie würde ihm widersprechen, doch sie überraschte mich. »Also gut.«
Mein Vormund machte keine Anstalten, einzuschreiten, als Blutstein erst dicke Handschuhe überzog unddann eine eiserne Fessel mit einem Titanverschluss hervorholte. Der Fiesling! Er hatte das offensichtlich schon vor seinem Eintreffen geplant.
»Dreh dich um, Zaria«, befahl er. »Und falte deine Flügel.«
Ich hörte ein Schnappen, als die Fessel sich um das untere Ende meiner Flügel schloss. Sie fühlte sich sehr kalt an, aber es war nicht die Art Kälte, die alle Glieder taub werden ließ; diese Kälte breitete sich wie die Risse in einer zerplatzten Glasscheibe aus, in die sich Splitter stechenden Schmerzes bohrten.
»Wenn ihr nicht erneut gegen die Regeln verstoßt, werde ich die Fesseln in einer Woche abnehmen«, erklärte Blutstein.
Eine Woche! Ich hatte gedacht, es würde nach einem Tag vorbei sein.
Ich sah nicht hin, als Blutstein Leona fesselte.
»Ihr werdet mit niemandem über euer Verbrechen sprechen«, erklärte er. »Tut ihr es doch, wird eure Strafe verlängert. Und noch etwas. Welches Portal habt ihr benutzt?«
Auch wenn Leona mit Sicherheit bereits große Schmerzen erlitt, reagierte sie schnell. »Ein kleines Portal in der Goldenen Station.«
»Hat euch niemand aufgehalten?«, verlangte er zu wissen. »Es hätte doch jedem auffallen müssen, dass ihr noch zu jung seid, um zur Erde zu reisen.«
»Es hat uns offensichtlich niemand bemerkt«, erwiderte sie.
Unsere Lehrer tauschten Blicke und flogen dann ein wenig abseits. Blutstein
Weitere Kostenlose Bücher