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Zarias Geheimnis

Zarias Geheimnis

Titel: Zarias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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kniff sie wieder zusammen.
    »Was ist los?«, fuhr Blutstein sie an. »Schon wieder Rot? Bei Oberons Krone, Frau Danburit, reißen Sie sichzusammen. Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollten nicht mehr erwarten.«
    Ich zog meine Hand zurück und blickte in einen funkelnden Kristall, den man so lange poliert hatte, bis er ganz durchsichtig war. Auf dem Zifferblatt waren sechs Farben in sechs gleich großen Abschnitten zu sehen: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett. In der Mitte zeigte ein winziges Rechteck die leuchtende Zahl 100 an.
    »Welche Stufe?«, fragte Blutstein scharf.
    »Ähm. Einhundert«, sagte ich.
    Sein zerfurchtes Gesicht erstarrte. »Bist du sicher?«
    »Ja«, bestätigte ihm Beryl. »Ich habe es gesehen.«
    Er notierte die Zahl und drückte dabei so fest auf, dass ich dachte, sein Stift würde jeden Augenblick entzweibrechen. »Und deine Farbe?« Die Worte kamen ihm wie herabfallende Steinsplitter über die Lippen.
    Ich blickte noch einmal auf die Uhr. Zwei schwarze Zeiger gaben die Zeit an: halb drei Uhr nachmittags. Ein dritter Zeiger aus Gold zeigte auf die Linie zwischen dem violetten und dem roten Bereich.
    »Deine Farbe, Zaria!«
    »Ich bin mir nicht sicher.«
    »So ein Unsinn.« Er schüttelte seinen Stift, und Tintentropfen spritzten auf sein Gewand. »Zeig her.«
    Widerwillig streckte ich ihm mein Handgelenk hin. Er beugte sich darüber und musste zweimal hinsehen. »Unmöglich.«
    »Zeigt er auf keine Farbe?«, fragte ich.
    »Das bedeutet nicht keine Farbe, Zaria«, antwortete Beryl ganz gelassen. »Das bedeutet volles Violett.«
    Mit einem Schlag befand ich mich in einer anderen Welt, einer Welt voller unbändiger Freude, unter die sich ein Gefühl der Verzweiflung und großer Kummer mischte. Freude, weil Blutstein von nun an Respekt vor mir zeigen musste und Leona und ich jetzt Freundinnen bleiben konnten, ohne uns über unseren Rang Gedanken machen zu müssen. Verzweiflung und Kummer, weil meine Mutter nie erfahren würde, dass ich eine violette Elfe war, und mein Vater nie meine Farbe vom Dach ausrufen würde.
    Dann wurde mir wieder die Anwesenheit meiner Lehrer bewusst, wobei Beryl mich ansah, als hätte sich eine gewöhnliche Blume vor ihren Augen in einen Schmetterling verwandelt, während Blutstein aussah, als könnte sein aschfahles Gesicht jeden Moment in tausend Stücke zerspringen.
    »Das werde ich nicht aufschreiben«, protestierte Blutstein. »Gib mir deine Uhr, Zaria. Sie ist defekt.«
    »Defekt?«, fragte ich.
    Auf einmal stand Leona neben mir. »Hör auf, Onkel«, sagte sie. Ihre Stimme knisterte vor zurückgehaltener Wut. »Denk an die Schande, die du über dich bringst, wenn du Unrecht hast.«
    Blutsteins Lippen verzogen sich zu einer harten grauen Linie. Leona zwang ihn wegzusehen. Ich dachte, er würde gleich einen schrecklichen Zauber herausschreien, doch er warf mir stattdessen nur einen hasserfüllten Blick zu, bevor er volles Violett neben meinen Namen schrieb.
    Ich verneigte mich. Es schien mir die einzige angebrachte Geste. Er ignorierte mich.
    Leona durchbrach die peinliche Stille, bevor sie sich weiter in die Länge zog. »Bin ich mächtiger als Zaria, oder ist sie mächtiger als ich?«, fragte sie Blutstein.
    Er riss sich zusammen und verfiel für die Klasse in seine Dozentenstimme. »Erinnert euch an eure Lektionen! Leona ist doppelt so mächtig wie Zaria, weil sie Magie-Stufe Zweihundert besitzt. Zaria wird niemals Magie jenseits der Hunderterstufe ausüben können.«
    »Aber Zaria verfügt über doppelt so viele Radia-Einheiten «, wandte Beryl ein.
    Im Klassenzimmer breitete sich Unruhe aus. Unsere Klassenkameraden flatterten unkontrolliert mit den Flügeln oder hüpften nervös auf und ab.
    »Herr Blutstein«, rief Cora, »wie ist es möglich, dass Leona Magie-Stufe zwei hundert hat?«
    »Meine Mutter hat mir gesagt, dass selbst die fortgeschrittensten Zaubersprüche nur Stufe ein hundert benötigen!«, schrie Portia.
    Blutstein riss das Zepter wieder an sich. »Deine Verwunderung ist völlig gerechtfertigt. Auch ich weiß von keinen Zaubern, die mehr als Magie-Stufe einhundert bedürfen.« Er verneigte sich in Leonas Richtung. »Wir befinden uns in der Gegenwart wahrer Größe.«
    »Aber was wird sie mit einer so hohen Magie-Stufe anfangen?«, quietschte Cora.
    »Diese Frage wird sie mit ihrem Mentor besprechen müssen«, erwiderte Blutstein. Er machte eine ausschweifende Armbewegung. »Wir sind für heute fertig. Vergesst nicht, eure Zauberstäbe erst

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