Zarias Geheimnis
sie endlich sprach, hatte sie die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Versammelten.
»Stufe Zweihundert«, verkündete sie. »Und meine Farbe ist Violett . Halb voll.«
Meteor blickte fassungslos drein. »Hast du Violett gesagt?«
»Violett.« Sie hielt ihre Uhr hoch.
Cora kreischte. Portia weinte. Tuck wirbelte im Kreis herum und schrie: »Violett!« Ich hörte, wie Blutstein einen triumphierenden Schrei in Beryls Richtung fahren ließ, die dazwischenrief, dass es sich um einen Fehler handeln müsse, Stufe 200 sei undenkbar, ganz zu schweigen von Violett, Leona halte uns alle zum Narren.
Das tat sie nicht. Natürlich nicht. Das hätte ich Beryl sagen können. Andalonus hätte vielleicht versucht, uns mit seiner Farbe auf die Schippe zu nehmen. Aber nicht Leona.
»Zeig mir deine Uhr«, befahl Beryl Leona.
»Mit Vergnügen«, erwiderte sie und streckte ihr das Handgelenk hin.
Beryl hielt ihre gelben Augen an Leonas kristallenes Zifferblatt. Es trat völlige Stille ein.
»Selbst wenn Sie es bis in alle Ewigkeit anstarren, wird sich die Farbe nicht verändern.« Leona zog ihr Handgelenk zurück. »Ich bin violett.«
Überrascht blickte ich Leona fest an. Sie musste wirklich sehr wütend sein, um Beryl mit so großer Verachtung zu strafen. Sie hatte gesagt, sie würde unseren Lehrern nie verzeihen, dass sie uns mit Eisen gefesselt hatten. Daran hatte ich allmählich keinen Zweifel mehr.
Als Beryl Tränen in die Augen traten, wussten alle, dass Leona die Wahrheit sagte.
Leona strengte sich an, mit ihrem Zauberstaub über ihre Schulter zu greifen. Dann berührte sie den Titanverschluss, der die Eisenfesseln um ihre Flügel schloss, und sagte etwas, das ich nicht verstand. Mit einem dumpfen Knall fielen die Fesseln ab. Ihre silbernen Flügel entfalteten sich. Dann hob sie murmelnd ihren Zauberstab, und ihr schwarzer Stift verwandelte sich in einen schlanken Platinstab, der mit Sternen aus Saphiren verziert war.
Die Klasse gab bewundernde Laute von sich. Leona flog mit ausgestrecktem Zauberstab zu mir herüber. Wieder murmelte sie etwas Unverständliches, und die qualvollen Eisenfesseln fielen ab. Was für eine Erleichterung! Ich konnte meine Flügel bewegen. Ich spürte,wie ein warmes, wohliges Gefühl der Stärke mich durchflutete.
»Leona!«, rief Beryl mit heiserer Stimme.
Leona drehte sich unbekümmert auf der Stelle. »Ja, Frau Danburit?«
»Du hast dir offensichtlich Zaubersprüche angeeignet, zu denen du noch gar nicht das Recht hast«, erklärte Beryl. »Und ganz gleich, welche Farbe du bist, dir ist es nicht gestattet, eine von deinen Lehrern verhängte Strafe zu verkürzen.«
Leona hörte auf herumzuwirbeln. »Oder was?«, sagte sie.
Beryls Finger bebten, als sie Blutstein herbeiwinkte. »Dein Onkel wird es dir erklären.«
Blutstein trat vor. »Meinen Glückwunsch zu deinem ausgezeichneten Ergebnis, Leona, meine Liebe. Du bist die einzige lebende violette Elfe in Elfenland.«
»Verzeihen Sie, Herr Blutstein«, setzte Beryl an.
Seine grauen Wangen liefen rot an, so als hätte ihn jemand in rosa Granit getaucht. Er räusperte sich. »Leona, es ist gefährlich, als unausgebildete Elfe Magie auszuüben, und unklug, Radia zu verschwenden, selbst wenn dein Vorrat sehr groß ist.«
»Ihr könnt mich nicht aufhalten«, erwiderte Leona. Ihre silbernen Augen funkelten.
Er hustete. »Leona, vergiss nicht, es gibt Richtlinien, die Elfen von Radia-Missbrauch abhalten sollen. Der Rat kann anordnen, dir den Zauberstab wegnehmen zu lassen.«
Leona blickte ihn an, als wäre er ein dicker, fetter Käfer, den sie am liebsten zerquetschen würde. »Wem wollen sie diese Anordnung geben?«, fragte sie.
»Wie bitte?«
»Niemand kann sich mit mir messen«, sagte Leona. »Also wem sollte der Rat anordnen, mir meinen Zauberstab abzunehmen?«
»Es wäre nicht eine Elfe. Es wäre die Radia-Garde.« Blutstein klang, als hätte ihn jemand gezwungen, Kies zu schlucken. »Die vereinten Kräfte hochstufiger blauer, grüner und gelber Elfen könnten sich durchaus mit Stufe zweihundert einer violetten Elfe messen.«
Leona blickte ihn regungslos an.
»Was die, äh, Eisenfessel betrifft …«, fuhr Blutstein fort. »Aufgrund deines hohen Ranges als violette Elfe gibt es keinen Grund mehr, deine Strafe fortzusetzen.«
Beryl schüttelte den Kopf, hatte aber offenbar die Stimme verloren.
»Gilt das auch für Zaria?«, forderte Leona Blutstein heraus.
»Zaria?« Er sah mich an. »Nein. Zaria muss ihre Eisenfesseln bis zum
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