Zarias Geheimnis
verstaute den falschen Zauberstab in meinem Kleid und eilte zum Portal. Als ich aus dem Wäldchen stürmte, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Unter mir am Fuß des Hügels, nicht weit vom Portal entfernt, standen ein Menschenjunge und eine Elfe im Gras. Die silbernen Flügel der Elfe stiegen wie glitzernder Nebel auf, und ihr Haar wehte dunkel im Wind.
Leona war auf die Erde zurückgekehrt.
Ich hatte unbedingt mit Leona reden wollen. Jetzt stand sie endlich vor mir, ohne dass sie eine Meute hofierender Elfen umzingelte, doch ein Mensch war bei ihr, und ich hatte keine Zeit, zu ihr zu gehen. Außerdem konnte sie mich nicht sehen, weil ich unsichtbar war.
Als ich nahe genug war, erkannte ich Jason Court und wollte Leona am liebsten packen und mit mir durch das Portal zerren.
Aber Leona wäre nur beleidigt und würde einen Streit vom Zaun brechen. Ich würde ihr alles erklären müssen und hatte nicht die Zeit dazu. Ich musste nach Hause: Mein Unsichtbarkeitszauber würde bald ablaufen, und ohne meinen echten Zauberstab konnte ich ihn nicht erneuern.
Ich machte einen großen Bogen um Leona und Jason und schlüpfte durch den Sandsteinfelsblock nach Galena, wo ich sofort abhob. Im Flug schüttelte ich mein Kleid aus. Nach allem, was passiert war, wäre es dumm, mit Fichtennadeln an meinen Kleidern erwischt zu werden. An den Innenseiten meiner Taschen rieb ich mir die Erde von den Händen.
Als ich mich unserem Haus näherte, erblickte ich eine kleine Gruppe Kinder mit ihren Eltern vor unserer Tür. Es waren mehr als ein Dutzend Paar schwirrender Flügel. Sie versperrten mir die Sicht.
Ich flog weiter. Die Menge blockierte zwar unsere Eingangstür, dehnte sich aber nicht bis zur Hinterseite des Hauses aus.
Auch wenn dort keine Schaulustigen waren, erwartete mich etwas, das mir noch mehr Angst einjagte: Zwei Zwerge bewachten die Fenster. Zwerge in Galena, die mein Zuhause bewachten! Das konnte nur eines bedeuten. Man hatte jemanden, der in meinem Haus wohnte, eines Verbrechens bezichtigt.
Ich schwebte nach unten und landete geräuschlos hinter den Zwergen. Ich warf einen Blick auf die Uhr. In einer Minute würde ich wieder sichtbar werden.
Ich hob ein paar Kieselsteine auf und flog zum Fenster meiner Mutter. Ich versuchte den Riegel zu öffnen. Er bewegte sich mühelos. Mit einer Hand am Riegel warf ich die Kieselsteine zwischen die Zwerge. Als sie auf den Boden blickten, schlüpfte ich durchs Fenster ins Haus und schloss es hinter mir. Einer der Zwerge, ein kleines Männchen mit einem gespaltenen Kinn und Haarbüscheln auf der Stirn, sah schnell wieder auf. Da ich jeden Augenblick wieder sichtbar werden würde, duckte ich mich schnell und entfernte mich vom Fenster.
Ich ging zur Tür und öffnete sie. Ich lauschte am Treppenabsatz und vernahm Beryls wütende Stimme. »Kommen Sie herein, wenn es denn sein muss«, sagte sie.
Gerade als mein Unsichtbarkeitszauber seine Wirkung verlor, hörte ich, wie unsere Eingangstür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel.
Beryl warf mir einen erleichterten und besorgten Blick zu, als ich die Treppe herunterkam. Ich tat mein Bestes, gelassen zu erscheinen, was mir jedoch nicht geradeleicht fiel. Im Wohnzimmer standen drei Mitglieder des Hohen Rates: Wolframit, Zirkon und Morganit.
Lily hatte ihr Kleid offensichtlich mit einem Zauber geflickt, jedoch die Orchideen-Flecken nicht entfernt, die sich in roten Streifen abhoben. Ihr safrangelbes Haar war zerzaust, und ihre weißen Flügel gefaltet. Ihre Ratskollegen standen mit strengen, ernsten Mienen links und rechts von ihr.
Würde Beryl mich verraten? Sie wusste natürlich, dass ich weg gewesen war. Noch tags zuvor hätte ich keinen Zweifel daran gehabt, dass sie mich sofort dem Hohen Rat ausliefern und mein Verhalten anprangern würde. Aber seit unserem Gespräch über Lily Morganit war ich mir da nicht mehr so sicher.
Ich verneigte mich höflich vor den Ratsmitgliedern.
Beryls gelbe Augen flackerten. »Es hat ein Missverständnis gegeben, Zaria«, erklärte sie. »Ratsmitglied Morganit behauptet, du hättest sie angegriffen und versucht, ihren Zauberstab zu stehlen.«
Ich sah zu Lily. »Warum sollte ich so etwas tun?«
»Zaria«, wandte sich Ratsmitglied Zirkon an mich. »Wir müssen dich fragen, wo du in der letzten halben Stunde gewesen bist.«
Ich erwiderte, ich hätte mich ausgeruht.
Ratsmitglied Wolframit durchbohrte Beryl mit den Augen. »Können Sie das bestätigen?«
Ich zog meine Flügel eng an meinen
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