Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
Vom Netzwerk:
einer internationalen Großbank, Analystenteams rund um die Uhr im Einsatz, Vier-Augen-Prinzip bei jeder Anlageentscheidung, und Sie haben, wenn ich mich nicht täusche, ja nur zwei Augen«, hatte Anderson, 37 Tonnen schwer, ironisch in den Hörer gegluckst.
    Kuster hatte noch seine letzten Knallerargumente gezündet, er sei unabhängig, »jede Bank verkauft Ihnen doch am liebsten ihre eigenen Anlageprodukte, da ist nichts maßgeschneidert, und dann die langjährige Vertrauensbasis, die wir zusammen aufgebaut haben …«
    »Ach ja«, hatte Anderson gekichert, »Sie wollen mir also sagen, dass Sie in den letzten Jahren, beim Aufbau unserer Vertrauensbasis, mir als Mitarbeiter der Kreditunion bloß deren Zeugs aufs Auge gedrückt haben und nix von maßgeschneidert? Wenn ich Ihnen da einen kostenlosen Tipp geben darf: Denken Sie sich schleunigst ein neues Wording aus und probieren Sie das dann beim nächsten Kunden, okay?«
    Schachmatt, dachte Kuster, fängt nicht wirklich gut an. Aber da bleibt ja immer noch Wladimir.

Vierundzwanzig
    Corporate Communications hatte einen Auftrag gefasst. Der CEO der Abteilung Private Banking der Schweizer Kreditunion musste die Keynote bei irgendeinem Anlageberaterstelldichein in Frankfurt halten. Eigentlich wäre die Message ja klar und simpel: Jungs, ihr kriegt eine Retrozession für jeden Steuerhinterzieher und Schwarzgeldanleger, den ihr uns anschleppt, dass euch die Ohren wackeln. Wir als Schweizer Kreditunion dürfen ja keine aktiven Geschäfte in eurer Scheiß-EU betreiben, denn blöderweise hat unser Ex-CEO in einem Anfall von Sparwahn unsere Banklizenz in Luxemburg zurückgegeben, aber mit eurer Hilfe kommt schon alles super. Und bleut euren besseren Kunden ein, dass sie endlich mal aufhören sollen, so dämlich zu sein und mit Bankunterlagen im Koffer über die Grenze zu rauschen. Lagern wir doch alles gerne bei uns ein, kostet zwar extra, aber leben und leben lassen ist unsere Devise. Und als Sahnehäubchen: In 250 Jahren Kreditunion ist noch nie eine Kundenliste in falsche Hände geraten, wie das den Trotteln in Liechtenstein ständig passiert. Da kann Steinbrück noch so zetern und drohen: Auf die alte Frage, wie schleuse ich mein wohlverdientes Geld am deutschen Fiskus vorbei, wird es immer gute Antworten geben.
    Aber so ging das ja nun nicht, also setzte sich das Räderwerk von Corporate Communication in Gang. Die CCO ließ ihren Personal Assistent einen Meeting-Room im Monopol reservieren, er solle doch mal aus der Liste der externen Ghostwriter einen raussuchen, ein Briefing zusammenstellen, Vorlage vorab an sie, Honorarrahmen nicht vergessen, und dann werden Nägel mit Köpfen gemacht. Das Meeting wurde zweimal verschoben, Terminkollisionen, aber dann saßen der Personal Assistent, die CCO und ein beflissener Ghostwriter im Meeting-Room. Schwere Polstergarnitur, dunkler Eichentisch, dezente Kunst an den Wänden, Blick auf den Zürichsee, Bodenheizung selbstverständlich, beruhigende Pastellfarben überall.
    »Wir gehen das Briefing vielleicht mal schnell durch«, sagte der Personal Assistent, »wir möchten gerne die Innovationskraft der Kreditunion betonen, aber natürlich eingebettet in unsere starke Tradition.«
    »Aha«, sagte der Ghostwriter beflissen, obwohl er eigentlich nur Bahnhof verstand.
    »Und dann möchten wir die Schweizer Sicht auf Europa kurz in den Fokus stellen, unter besonderer Berücksichtigung des Aspekts, dass wir näher am Kunden sein möchten.«
    »Sehr gut«, sagte der Ghostwriter, »unbedingt. Aber wenn ich mich nicht täusche, darf die Kreditunion doch gar keine Kundenbeziehungen in Deutschland unterhalten.«
    »Äh«, sagte der Personal Assistent, und die CCO, die bislang genüsslich an der Kaffeetasse genuckelt hatte, griff zum ersten Mal ein: »Guter Punkt«, sagte sie, »so kann man das natürlich nicht formulieren.« Der Personal Assistent lief rot an und fragte sich, ob sich hier ein Karriereknick abzeichnete.
    »Aber ich verstehe natürlich die Intention«, sagte der Ghostwriter verbindlich, »überlassen Sie das ruhig mir.«
    »Genau«, sagte der Personal Assistent erleichtert, »diesen Punkt können wir dann im Draft noch genauer aufnehmen, wir müssen ja auf Deutschland eingehen, nicht wahr, aber eben, diese Dualität zwischen Tradition und Innovation, das ist natürlich die Key Message, absolut zentral.«
    »Wandel als Chance, dabei Fortführung unserer Kernkompetenzen, der Schritt in die Zukunft, auf dem Weg einer Kontinuität,

Weitere Kostenlose Bücher