Zauber der Leidenschaft
Mal seit sie eine junge Frau war, war Sabine vollkommen verwirrt. »Die ganze Zeit habe ich nur darauf gewartet, eine Aufgabe zu haben, Macht zu bekommen, nachdem mein Leben seit Jahrhunderten in einer Warteschleife festhängt.« Sie erinnerte sich nicht daran, sich irgendetwas gewünscht zu haben, irgendetwas erstrebt zu haben. Mir ist nichts wirklich wichtig … Jetzt war die Zeit zu handeln gekommen, aber sie konnte es nicht. »Ich hätte nie gedacht, dass er sich mir widersetzen könnte.«
Sie erschauerte, als sie sich ins Gedächtnis rief, wie seine grünen Augen schwarz geflackert hatten, während er sie von Lust erfüllt angeblickt hatte. Und trotzdem hatte er sie zurückgewiesen. Er hatte sich nicht nur der Aufforderung einer unwiderstehlichen Frau widersetzt, sondern obendrein noch dem Drängen seines besten Freundes.
»Was, wenn ich nicht die Seine bin? Was, wenn die Prophezeiung falsch ist?« Für gewöhnlich unterliefen einem Orakel keine Fehler, aber denen, die ihre Worte deuteten, schon. »Ich kapier das einfach nicht. Ich bin zu einem bemerkenswerten Grad sexuell attraktiv …«
»Und bescheiden noch dazu.«
»Es ist keine Angeberei, wenn’s doch stimmt. Und ich bin die Seine. Was insgesamt heißt, dass die Sache so gut wie erledigt ist. Sie sollte es zumindest sein.« Auch wenn die meisten seiner Art ihr ganzes Leben lang nach ihrer anderen Hälfte suchten, hatte Rydstrom das nicht getan. Nachdem er Tornin verloren hatte, war er vollkommen von seinem Streben, die Krone zurückzugewinnen, besessen gewesen.
Jetzt, da ein Großteil ihres Grolls verflogen war, dachte sie über alles nach, was sie über ihn erfahren hatte. Um ihn so zu befriedigen, wie er es brauchte, würde sie ihm das Ruder überlassen müssen. Oder sie müsste zumindest so tun als ob.
Sabine wirkte von außen so stark, gezwungen, sich immer in Bestform zu präsentieren, niemals eine Schwäche zu zeigen. Es war schon vorgekommen, dass sie sich tatsächlich gefragt hatte, wie es wohl sein mochte, sich einfach hinzulegen und sich einem Mann hinzugeben.
Vorausgesetzt, sie traute ihm. Vorausgesetzt, er war es wert. Der Dämon würde nie versuchen, mir meine Kräfte zu rauben …
»Ich wusste, dass er kompliziert ist.« Doch sie hätte nie gedacht, wie kompliziert. »Der vernünftige, aufrechte König besitzt eine verruchte Seite.« Eine, die er offensichtlich lange verleugnet hatte.
Lanthes Augen wurden groß. »Los, erzähl schon!«
»Er sehnt sich nach totaler Kontrolle, will aber nicht, dass ich sie ihm freiwillig überlasse. Er will sie selbst erringen.«
»Das klingt irgendwie aufregend.«
Das war es. Ihr Götter, die maskuline Hitze dieses Dämons machte wirklich süchtig …
»Als du bei ihm warst, hast du dich da mehr zu ihm hingezogen gefühlt?« Sabine runzelte fragend die Stirn. »Sag mir einfach nur: Wenn dies ein anderer Ort zu einer anderen Zeit wäre und ihr zwei ganz gewöhnliche Lebewesen, würdest du ihn wiedersehen wollen?«
Er will mich auf den Nacken küssen und mir sagen, dass ich schön bin … »Unsere Art hält Dämonen für kaum besser als Tiere.«
»Danach habe ich nicht gefragt.«
»Ich … vielleicht«, murmelte sie.
Lanthes Gesicht begann zu strahlen. »Oh, Sabine! Das ist ja wundervoll. Du könntest dich verlieb…«
»Immer redest du von Liebe. Weißt du, was ich liebe? Das Leben. Und romantische Liebe ist eine Ablenkung, die es erschwert, am Leben zu bleiben. Außerdem sind wir nun mal nicht an einem anderen Ort und in einer anderen Zeit.«
Trotzdem warf Sabine einen Blick über die Schulter hinweg in Richtung Kerker und fühlte einen Anflug von … etwas .
Als sie sich wieder umwandte, sah sie, dass Lanthe besorgt in den Himmel hinaufschaute.
»Ein Karat für deine Gedanken«, sagte sie. »Es ist Thronos, stimmt’s?«
» Was ?«, schrie Lanthe.
»Du machst dir Sorgen, dass er einen Weg findet, auf diese Ebene zu gelangen. Aber das kann er nicht, Lanthe. Und selbst wenn, sind wir nicht mehr dieselben verängstigten Mädchen, die wir einmal waren. Wir würden ihn an seinen eigenen Eingeweiden aufhängen.«
»Ja klar, an seinen Eingeweiden«, wiederholte Lanthe in seltsamem Tonfall.
»Wie wär’s, wenn wir uns ein paar von deinen DVDs ansehen?«
Lanthe besaß eine eindrucksvolle Sammlung von Filmen. Jeden Monat einmal öffnete sie ein Portal von ihrem Zimmer direkt in ein Geschäft und ließ ihre Inferi jede Menge Filme aus der DVD-Abteilung davontragen. »Wir schauen uns einen
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