Zauber der Sonneninsel
mussten Tausende von Zitrusplantagen im Mittelmeerraum aufgegeben werden. Haben Sie das auch nicht gewusst? Sie wissen doch sonst alles, was Ihre Umwelt angeht. Seit kurzem versucht Tomás es mit Avocados und Obst, aber das wird erst in ungefähr zehn Jahren Profit bringen … Und was glauben Sie wohl, wie viel Geld es kostet, das riesige Haus instand zu halten?” Sie betrachtete Petra amüsiert. “Die Torres sind nicht reich, sie mussten sogar die Goyas verkaufen, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Das Bankkonto ist leer, und da jetzt auch noch der Ferrari seines Vaters demoliert ist, hat Tomás Torres nicht einmal mehr ein Auto!”
Petra fühlte sich unsagbar elend. Die vielen tausend Orangenbäume, die Tomás gepflanzt hatte, die ganze mühsame Arbeit, sollte das alles umsonst gewesen sein? Darum also hatte er damals auf dem Turm gesagt, es wäre besser gewesen, er hätte niemals einen Baum gepflanzt!
“Glauben Sie etwa, Tomás hat Proyecto Virgen aus Spaß gestartet?” fuhr Cristina fort. “Er braucht das Geld, sonst muss er Alcamar wahrscheinlich aufgeben!”
“Oh nein!” Petra war entsetzt.
“Oh doch. Auf diese winzige Insel hat er all seine Hoffnungen gesetzt. Er hat sich halb umgebracht, um das nötige Geld für seine Pläne zusammenzubekommen, damit er Alcamar erhalten kann. Und Ihre miese Bande von so genannten Umweltschützern versucht, ihn zu ruinieren.”
Petra war bestürzt. Wie wenig wusste sie über Tomás! Er lebte also nicht im Überfluss, sondern musste um seine Existenz und um seinen Besitz kämpfen. Wie unwichtig erschienen dagegen ihre eigenen Sorgen! Und auch der gestrige Abend gewann plötzlich eine ganz neue Bedeutung.
Sie musste sich abwenden, weil sie Cristina Coloms durchdringenden Blick nicht mehr ertragen konnte. Warum hatte Tomás ihr nichts von seinen Sorgen erzählt? Er hätte sich ihr anvertrauen sollen, anstatt sie in dem Glauben zu lassen, er führe ein sorgloses Leben. Sein Stolz hatte ihn daran gehindert, ihr alles zu erzählen, das wusste sie instinktiv. Deshalb hatte er ihr auch verschwiegen, dass die ‘Epoca’ nicht ihm gehörte. Wusste er nicht, dass sie lieber am Strand mit ihm geschlafen hätte anstatt auf der Yacht dieser Frau?
“Ich dachte mir schon, dass die Wahrheit Ihre Einstellung ändern würde”, sagte Cristina herablassend. “Sie haben ihm gar nichts zu bieten. Mit meinem Geld könnte er dagegen die ihm zustehende Position an der Spitze der Gesellschaft Mallorcas übernehmen.” Ihr Blick ging in die Ferne, als sähe sie eine wunderbare Zukunft vor sich. “Die wichtigsten Persönlichkeiten Europas werden bei uns zu Gast sein, und ich werde Bälle geben, die selbst den König vor Neid erblassen lassen.”
Petra schwieg, und Cristina setzte sich auf einen Stuhl in der kleinen Sitzecke. Aus einem goldenen Etui nahm sie eine Zigarette und zündete sie an. “Ich weiß nicht, ob Sie naiv sind oder einfach nur berechnend”, fuhr sie fort. “Aber ich möchte Ihnen einen Rat geben: Gehen Sie, und zwar jetzt. Vergessen Sie Tomás Torres, denn was immer zwischen Ihnen beiden war – es ist vorbei. Wenn Sie durch diese Tür gehen, werden Sie es bereuen, das kann ich Ihnen versichern.”
“Ich möchte ihn sehen”, beharrte Petra müde.
“Wie Sie wollen.” Cristinas Stimme klang gleichgültig. “Ich werde Sie nicht daran hindern.”
Petra sah sie misstrauisch an. “Er ist wach, nicht wahr?” fragte sie. “Sie haben mich vorhin belogen.”
Cristina schwieg. Mit boshaftem Blick beobachtete sie, wie Petra in Tomás’ Zimmer ging.
Tomás saß in einem roten Seidenmorgenrock am Fenster und starrte hinaus. Er wandte sich nicht um, und Petra wusste nicht, wie sie beginnen sollte. Schließlich brach er selbst das Schweigen.
“Ich habe deine Stimme draußen gehört. Was willst du hier?”
“Dich sehen.” Sie war entsetzt über seine Gleichgültigkeit. “Und dir alles erklären.”
“Erklären?” Er drehte sich zu ihr um, aber sein Blick war kalt. “Du hättest lieber nicht herkommen sollen, Petra!” Sein Gesicht war wie eine steinerne Maske, die Mundwinkel waren verächtlich heruntergezogen. Noch niemals hatte sie ihn so bitter und wütend gesehen.
“Ich habe mich in dir getäuscht”, sagte er ruhig. “Was für ein Narr ich doch gewesen bin!”
“Tomás”, flüsterte sie, “es tut mir so leid. Wenn ich gewusst hätte, was passieren würde, hätte ich dich niemals überredet hinzugehen.”
“Du brauchst mir nichts mehr vorzumachen.
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