Zauber der Vergangenheit
»Violet, es hat mich wirklich gefreut, dich zu sehen. Bitte vergiss mich nicht so schnell wieder.« Ich umarmte ihn fest.
»Ich habe dich nie vergessen«, sagte ich. Er strich mir übers Haar.
»Und nun bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als dir alles Gute für die Zukunft zu wünschen.« Die Ironie seiner Worte machte den Abschied nur noch schlimmer.
»Ich wünschte, du könntest mitkommen«, sagte ich.
»Das wünschte ich mir auch, mein Kind. Aber in der Zukunft wurde ich bestimmt bereits für tot erklärt und es würde den Leuten sicher Angst machen, wenn ich wiederkäme«, gab er mit einem verschmitzten Lächeln zu bedenken. Ja, in der Zukunft würde er tatsächlich tot sein, aber hier lebte er und dieser Gedanke tröstete mich ein wenig über den Verlust hinweg.
»Aber wie kommen wir zurück?«, fragte ich besorgt. »Lilian musste alle Energie aus Drews Ring dazu aufwenden, um seine Verletzungen zu heilen.«
»Das wird kein allzu großes Problem sein«, sagte er und ließ sich von Drew den Ring aushändigen. Dann nahm er meine Hand und legte ihn hinein. Sofort begann er zu leuchten.
»Was passiert hier?«, fragte ich erschrocken. »Das ist doch gar nicht meiner.«
»Nein, aber du bist eine Harrison und der Ring erkennt seine Meisterin.« Mein Großvater strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
»Seine Meisterin?« Das war alles ein bisschen zu viel für mich.
»Du bist meine Enkelin und somit die Erbin meines Vermächtnisses. Nur du bist dazu im Stande den Ring eines anderen zu berühren, solange er auf denjenigen geprägt ist. Du kannst ihm dadurch die Energie geben, die ihr benötigt, um wieder zurück in eure Zeit zu gelangen. Jeden anderen würde er bei diesem Versuch vernichten.«
»Was, aber … das, das ist doch völlig …« unmöglich , beendete ich den Satz in Gedanken. Aber war es das wirklich? Hatte ich in den letzten Tagen nicht mehr als einmal gesehen, dass es eigentlich nichts gab, was wirklich unmöglich war?
»Versprich mir einfach, dass du in Zukunft gut darauf achtgeben wirst«, bat mein Großvater und bedachte mich mit einem wohlwollenden Blick.
»Ich verspreche es!«, versicherte ich ihm. Er atmete einmal hörbar ein und aus.
»Violet, du musst dich nun entscheiden«, sagte er.
»Was meinst du?«, fragte ich verständnislos.
»Du musst dich entscheiden, wer von den beiden mit dir zurückgehen soll. Ich werde mich nun zurückziehen. Grüß deine Tante von mir und sag deiner Mutter, dass ich an sie denke.« Er streichelte mir noch einmal über die Wange, dann drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit. Ich war mit Anthony und Drew allein. Ich blickte von einem zum anderen und wieder zurück. Mein Magen verkrampfte sich. Beide gehörten nicht hierher. Wenn ich einen wählte, würde ich den anderen verlieren. Ihre Blicke ruhten auf mir. Doch keiner sagte etwas. Offenbar wollten sie die Entscheidung dieses Mal tatsächlich mir überlassen.
»Ich kann das nicht«, sagte ich tonlos. Für einen Moment herrschte Stille.
»Dann werde ich diese Entscheidung für dich treffen müssen«, sagte Anthony plötzlich und trat aus dem Schatten der Treppe heraus. Ich sah ihn ungläubig an. »Drew wird mit dir zurückgehen. Ich habe die letzten elf Jahre hier verbracht. Mein Platz ist jetzt hier.«
»Was?« Ich war entsetzt. Drew schien ebenfalls völlig überrascht zu sein und erhob sich noch etwas schwerfällig von seinem Lager. Langsam kam er auf mich zu.
»Ihr solltet jetzt gehen«, stellte Anthony fest. Sein Blick wanderte zwischen Drew und mir hin und her. Ich stand da wie angewurzelt.
»Er hat Recht. Wir müssen zurück«, sagte Drew leise und fasste mich sanft am Arm. Doch ich wollte mich nicht von ihm wegziehen lassen. Ich war noch nicht bereit für einen Abschied. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen Anthony jetzt und für immer zu verlieren. So lange hatte ich versucht meine Gefühle für ihn zu unterdrücken, mir einzureden, dass es besser war, wenn ich mich ihm nicht aufdrängte, doch jetzt bahnten sich die Gefühle mit geballter Macht ihren Weg an die Oberfläche. Ich riss mich los und rannte auf Anthony zu. Ich wollte ihn umarmen, doch er ergriff meine Hände auf Brusthöhe und verschränkte seine Finger mit meinen. Er sah mich eindringlich und ernst an. Meine Augen füllten sich mit Tränen.
»Bitte komm mit. Wir finden einen Weg. Es muss einen Weg geben …«
»Es gibt keinen Grund für mich von hier wegzugehen.« Ich sah ihn irritiert an.
»Aber … warum
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