Zauber der Vergangenheit
hatte. Entschlossenen Schrittes steuerte ich darauf zu. Auch in unserer Zeit lag der Platz ein wenig abseits der Wege. Die große Weide erblickte ich schon von weitem. Bevor ich durch ihre Äste hindurchschlüpfte, versicherte ich mich noch einmal, dass mich niemand beobachtete. Ich war gespannt, was mich erwarten würde. Vorsichtig schob ich die Zweige beiseite und trat hindurch. Der Teich sah genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Nur die steinerne Bank unter der Weide war neu. Von Drew war jedoch weit und breit nichts zu sehen. Seufzend ließ ich mich auf der Bank nieder und schlang die Arme um mich. Dann würde ich eben hier auf ihn warten. Ich schloss die Augen und lauschte dem Rauschen der Blätter und dem Zwitschern der Vögel. Ich erinnerte mich an den Nachmittag, an dem ich mit Anthony hier gewesen war. Plötzlich nahm ich einen leichten Duft nach Lavendel wahr. Ich lächelte. Meine Gedanken spielten mir ganz offensichtlich einen Streich. Ich ließ die Augen geschlossen. Ich hatte Angst, die Illusion, die mein Gehirn geschaffen hatte, würde wie eine Seifenblase zerplatzen, wenn ich sie öffnete.
»Violet.« Nun hörte ich auch noch seine Stimme. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich entweder reif für den Psychiater war oder träumte. Ich entschied mich für den Traum.
»Mhm hm…«, machte ich.
»Woran denkst du gerade?«
»An dich«, sagte ich verträumt. Da er ja nicht wirklich hier, sondern nur ein Produkt meiner Fantasie war, und mich auch sonst niemand hören konnte, schämte ich mich nicht, das ganz offen zuzugeben. Trotzdem ließ ich meine Augen geschlossen.
»Und wünschst du dir, ich wäre jetzt hier bei dir?«, vernahm ich seine Stimme nun ganz nah an meinem Ohr.
»Spielt das denn eine Rolle?«, fragte ich und seufzte.
»Für mich schon«, antwortete die Stimme.
»Ja, ich wünsche mir, du wärest jetzt hier bei mir. Aber was hätte ich davon, wo ich doch weiß, dass du nicht bei mir sein willst?«
»Das denkst du also von mir, dass ich nicht bei dir sein will?« Er klang amüsiert, auch wenn ich nicht im Geringsten verstand, was daran lustig war.
»Ja«, antwortete ich. »Immerhin hast du das selbst gesagt.« Ich hörte sein leises Lachen.
»Mach deine Augen auf, Violet!«, forderte die Stimme.
»Aber dann verschwindest du«, sagte ich und spürte, wie ein leichter Windhauch an mir vorbeizog und mein Haar verwehte.
»Vertrau mir einfach.« Ich fühlte, wie er meine Hand nahm. Das war wirklich eine verdammt realistische Halluzination, wie ich fand. Ich musste mit den Nerven ganz schön am Ende sein. Jetzt öffnete ich die Augen und was ich sah, verschlug mir die Sprache. Vor mir saß Anthony, leibhaftig und echt. Er trug eine blaue Jeans und Sneakers, kombiniert mit einem weißen T-Shirt, unter dem sich deutlich seine Muskeln abzeichneten. Darüber hatte er eine schwarze Lederjacke gezogen. Seine langen Haare waren einem modischen Fransenschnitt gewichen, der ihn noch verwegener erscheinen ließ. Ich blickte in seine kornblumenblauen Augen und das Atmen fiel mir schwer.
»Wie … aber … was … wie kommst du …«, stammelte ich und rutschte auf der Parkbank so weit nach hinten, dass ich den Halt verlor. Anthony packte mich gerade noch rechtzeitig am Arm und zog mich zurück neben sich.
»Jetzt beruhig dich erst mal«, sagte er und lächelte breit. »Du wirst mir ja sonst gleich ohnmächtig.«
»Was machst du hier?«, fragte ich völlig verwirrt.
»Ist das eine ernst gemeinte Frage?«
»Ja, ich dachte, es sei für dich unerträglich in meiner Nähe zu sein. In dieser Hinsicht hast du deinen Standpunkt ziemlich überzeugend klargemacht, würde ich sagen«, entgegnete ich und senkte betreten den Kopf. Anthony lachte.
»Und das hast du mir geglaubt?«, fragte er. Er legte einen Finger unter mein Kinn und hob mein Gesicht an, so dass ich ihm in die Augen sehen musste. Die Berührung jagte einen warmen Schauer durch meinen Körper.
»Violet, ich möchte, dass du mir jetzt genau zuhörst.« Sein Blick war zärtlich auf mich geheftet. »Alles, was ich zu dir gesagt habe, dass ich in meinem Leben keinen Platz für dich habe und dass du mir nichts bedeutest, war gelogen.« Er hielt kurz inne, bevor er weitersprach. »Die Wahrheit ist, ich habe mich bereits bei unserer ersten Begegnung zu dir hingezogen gefühlt. Als Emilia dich in deinem rosa Kleid in mein Büro geschleppt hat und du so verängstigt warst, dass du dich gar nicht getraut hast mich richtig anzusehen. Aber ich
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