Zauber des Orients
erwarten.
Frierend stellte sie das Wasser auf warm und wagte sich wieder unter die nun angenehm temperierte Dusche. Schnell wusch sie sich die Haare, seifte sich ein, spülte sich ab. Raus aus der Duschkabine.
Nun fühlte sie sich viel besser. Sie wickelte sich ein Handtuch um den Kopf, putzte sich die Zähne, gurgelte und besprühte sich mit Deo.
So! Jetzt war sie hellwach!
Mit frischer Energie kehrte sie ins Schlafzimmer zurück, machte sich über den Rucksack her und zupfte ihre Wüstenunterwäsche heraus. Spontan entschied sie sich für eine dunkle Hose und die rote Wolljacke. Kein Blazer.
Aber natürlich Pumps!
Zur Hose? Sie warf die Hose beiseite und schlüpfte in einen Rock.
Fehlanzeige! Ihre blassen Beine …
Weg mit dem Rock, wieder her mit der Hose.
Bluse, Hose, hohe Absätze …
Bluse, Hose, Wüstenstiefel …
Auf jeden Fall Pumps!
Sekundenschnell begutachtete Casey sich vor dem hohen Spiegel.
Was immer der Tag brachte, sie war bereit.
Für Make-up blieb keine Zeit, ihr seidiges Haar flog in alle Richtungen. Kurz entschlossen bändigte Casey es mit einem Samtband und rannte zur Tür. Die Hand auf der Klinke, hielt sie inne. Zurück, marsch, marsch! Die Marktstudie, die sie ausgearbeitet hatte!
Jetzt noch ein Hauch zollfreies Parfüm, das sie an Bord gekauft hatte. Sprüh, sprüh! Fertig.
Die Umfrage unter dem Arm, geschäftliche Miene aufgesetzt –, ihr blieben noch zwei Sekunden bis zum Ablauf der Zehnminutenfrist.
Casey riss die Tür auf. „Ach verflixt …!“
„Ich wünsche Ihnen auch einen guten Morgen.“
Gelöst lehnte Raffa am Türrahmen. Musste er so herausfordernd lächeln? Er roch gut, und seine Zähne waren unanständig weiß …
„Habe ich Sie aufgescheucht? Sie sehen so …“
Abgehetzt aus? „Nein … nein.“ Caseys Lachen kam nicht so selbstsicher heraus, wie sie beabsichtigt hatte. „Überhaupt nicht. Ich habe nur noch schnell meine Unterlagen zusammengepackt, weil ich Sie nicht warten lassen wollte.“
„Gut. Also … hatten Sie Zeit zum Frühstücken?“ Raffa nahm den Arm vom Türpfosten und richtete sich zu seiner beachtlichen Größe auf. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass er einen eleganten dunklen Anzug trug … blütenweißes Hemd, dunkelblaue Seidenkrawatte …
Armani, entschied Casey und strich sich über ihre Kaufhaushose. Nein, sie irrte sich. Raffas Anzug dürfte von Ozwald Boateng sein. Meine Güte, war der Mann sexy! Und sie war alles, was sie nicht sein wollte: atemlos und rot im Gesicht.
„Was haben Sie da unter dem Arm?“, fragte er.
Blitzschnell überlegte Casey. Schwitzflecken? Deoränder? Dann fiel es ihr ein. „Ach Sie meinen die Mappe?“
„Was sonst?“ Er lächelte umwerfend. „Darf ich?“
Sie reichte sie ihm.
Raffa nahm die Mappe. „Was ist das?“
„Die vorläufige Auswertung meiner Erhebungsergebnisse aus der Einkaufspassage.“
„Sie haben Sie am Computer getippt?“ Er blätterte die Seiten durch.
„Im Bürocenter des Hotels. Meine Handschrift kann ich Ihnen unmöglich zumuten.“
Casey bewegte sich vorsichtig, während Raffa sie musterte, als wollte er ihre intimsten Geheimnisse erkunden. „Bestehe ich vor Ihren strengen Augen?“, fragte sie nervös lachend.
„Sie sehen zauberhaft aus“, erwiderte er.
Wirklich?
Zauberhaft hatte sie noch keiner gefunden. Sie sei zu zielstrebig, hatte sie schon öfter gehört, zu ernsthaft, zu karriereorientiert, zu ehrgeizig. Und das stimmte ja auch. Aber zauberhaft …
„Gehen wir?“, Raffa deutete zu den Aufzügen am Ende des Ganges.
Auf dem Weg zu den Liften musste Casey fast rennen, um mit Raffa Schritt halten zu können. Über ihnen wölbte sich eine vergoldete Decke mit Cherubinen, Rosetten und Blüten, der Boden war mit kostbaren Läufern ausgelegt, an den Seiten erhoben sich hohe Säulen mit goldenen Blättern und Lapislazulimustern. Und alles erstrahlte so hell, dass mit dem Strom, der hier verbraucht wurde, eine Kleinstadt hätte versorgt werden können. Wenn das Raffas Flaggschiffhotel war –, wie musste dann erst sein Palast aussehen? Aber den würde sie natürlich nicht zu Gesicht bekommen.
Atemlos erreichte Casey die Mitte des gläsernen Atriums. War es Höhenangst oder Raffas Nähe, die sie benommen machte?
Ein Schauer überlief sie, als schwarz gekleidete Männer aus dem Hintergrund auftauchten. Beunruhigt betrachtete sie Raffas Leibwächter. Sollte sie die Aufpasser grüßen oder nicht? Lieber nicht, sie blickten an ihr vorbei.
„Da Sie eine
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