Zauber des Orients
noch attraktiver als damals, denn mittlerweile war er ein Mann geworden. Groß, breitschultrig und selbstbewusst stach er aus der Menge heraus.
Vor Jamilahs Augen verschwamm alles, sie schwankte. Doch da fasste Salman mit festem Griff ihren Arm und gab ihr Halt. Gerade wollte er sie mit einem anerkennenden Blick loslassen, als sich plötzlich der Ausdruck seiner dunklen Augen änderte.
Er zog die dichten Brauen zusammen und schnappte ungläubig nach Luft. „Jamilah?“
Sie nickte nur stumm. In ihren Ohren rauschte das Blut, und ihr Herz pochte so heftig in ihrer Brust, dass sie fürchtete, es würde herausspringen. Wie lange hatte sie davon geträumt, dass Salman sie so ansehen würde?
Schnell entschieden sie, in eins der zahlreichen kleinen Cafés zu gehen. Danach hatten sie sich bereits verabschiedet, als Salman sie plötzlich mit einem Griff nach ihrem Arm zurückhielt. „Warte … hast du Lust, heute Abend mit mir essen zu gehen?“
Jamilah hatte die Einladung ohne zu zögern angenommen. An jenem ersten Wochenende hatten sie sich zum ersten Mal geliebt.
Die folgenden drei Wochen kamen ihr noch immer wie ein Traum vor. Habe ich zu schnell Ja gesagt? fragte sie sich jetzt.
Doch sie hatte so viele Jahre lang von Salman geträumt und ihn aus der Ferne begehrt, dass sie es nicht geschafft hatte, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen.
Jetzt war Jamilah auf dem Weg zu seinem Apartment, um ihm Abendessen zu kochen. Ist das wirklich so eine gute Idee? schoss ihr plötzlich durch den Kopf. Für einen Moment wurde sie unsicher.
Salman hatte sie heute nicht eingeladen. Im Gegenteil, am Morgen war er ungewöhnlich still gewesen. Aber sie konnte sich bereits vorstellen, wie er beim Anblick ihrer leckeren Einkäufe erfreut lachen und seine Tür weit für sie öffnen würde.
Salman hat aber auch eine andere Seite, schoss Jamilah durch den Kopf, während sie an der roten Ampel wartete. Gedankenverloren betrachtete sie den prächtigen Altbau auf der anderen Straßenseite, in dem sich sein Apartment befand.
Im Gegensatz zu seinem Bruder Scheich Nadim, der eine selbstverständliche Leichtigkeit im Umgang mit allen Menschen besaß, war Salman ein Einzelgänger. Doch das hatte Jamilah nie gestört. So lange sie zurückdenken konnte, hatte sie eine besondere Verbindung zu ihm gefühlt.
Aber es gab auch Momente, in denen sie eine tiefe Dunkelheit in Salmans Seele spüren konnte. Jedes Mal, wenn sie von ihrer beider Heimatland Merkazad sprach, legte sich ein finsterer Schleier über sein Gesicht. Ganz besonders, wenn sie auch noch den Namen seines Bruders Nadim erwähnte.
Scheich Nadim war der Herrscher von Merkazad, einem kleinen, unabhängigen Scheichtum innerhalb des größeren Landes Al-Omar auf der Arabischen Halbinsel. Es war Geburtsort und Zuhause von Jamilahs Mutter gewesen. Ihr französischer Vater hatte als Berater für Salmans Vater gearbeitet. Jamilah selbst war in Paris geboren, aber in Merkazad aufgewachsen.
Eigentlich stand es seit einiger Zeit fest, dass Jamilah in einer Woche nach Merkazad zurückkehren würde, um ihre Arbeit als Leiterin der königlichen Ställe anzutreten. Aber heute Abend würde sie Salman mit der Nachricht überraschen, dass sie ihre Pläne geändert hatte. Sie würde bei ihm in Paris bleiben.
In Gedanken versunken war sie an der Tür von Salmans Apartmenthaus angelangt. Der Concierge setzte an, sie herzlich wie immer zu begrüßen, doch plötzlich flog ein Schatten über sein Gesicht. „ Excusez-moi, mademoiselle , erwartet der Prinz Sie heute Abend?“
Jamilah zuckte zusammen. Sie war es nicht gewohnt, dass Salman als Prinz bezeichnet wurde. Seinen Status als nächster Thronfolger nach Scheich Nadim hatte sie beinahe vergessen.
Sie lächelte breit und hievte ihre übervollen Einkaufstaschen in die Luft. „Ich koche Abendessen!“
Der Concierge erwiderte ihr Lächeln, auch wenn er dabei ein wenig unbehaglich wirkte. Als sie in den Lift stieg, fühlte auch Jamilah sich plötzlich seltsam unwohl. Im obersten Stockwerk öffneten sich die Türen des Fahrstuhls. Zögernd stieg sie aus.
Salmans Wohnungstür war nur angelehnt. Aus dem Inneren des Apartments hörte Jamilah das helle Kichern einer Frau. Ohne nachzudenken, stieß sie die Tür auf und trat ein.
Salman stand in der Mitte des Wohnzimmers. Er hielt eine schöne rothaarige Frau in den Armen und küsste sie leidenschaftlich. Genau so, wie er es mit Jamilah immer getan hatte.
Die Einkaufstaschen glitten aus ihren gefühllosen
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