Zauber einer Winternacht
du hineinpasst, alter Bursche.«
Laura sah ihm zu, wie er das Baby hineinlegte und der Wiege einen sanften Schubs gab. In ihr schien etwas zu zerbrechen. »Gabriel, ich kann nicht«, flüsterte sie.
Er kniete ihr zu Füßen neben der Wiege und sah hoch. In seinem Blick lag eine Warnung und, da war sie sicher, ein vergrabener Zorn. »Was kannst du nicht?«
»Es ist nicht richtig, nicht fair.« Sie nahm das Baby aus der Wiege und auf den Arm. »Sie müssen es erfahren.« Sie wäre auf der Stelle geflüchtet, wenn Amanda nicht mit einer Kristallvase voller Rosen zurückgekehrt wäre.
»Wo möchtest du sie haben, Laura?«
»Ich weiß nicht, ich kann nicht … Gabriel, bitte.«
»Ich glaube, dort am Fenster würden sie schön aussehen«, erwiderte Amanda mit milder Stimme, ging zum Fenster und arrangierte die Blumen zu ihrer Zufriedenheit. »Also, meint ihr drei Gentlemen nicht auch, ihr solltet euch eine Weile beschäftigen, während Laura und ich uns in Ruhe unterhalten?«
Panik stieg in Laura auf, und sie sah von einem zum anderen, dann zurück zu ihrem Ehemann. »Gabriel, du musst es ihnen sagen.«
Er nahm das Baby und bettete es in seine Armbeuge. Als ihre Blicke sich trafen, funkelten seine Augen klar und zornig. »Das habe ich bereits.« Dann ließ er sie mit seiner Mutter allein.
Amanda machte es sich wieder auf dem Sofa bequem. Sie schlug die Beine übereinander und strich den Rock glatt. »Zu schade, dass kein Feuer brennt. Für diese Jahreszeit ist es noch kühl.«
»Wir sind noch nicht dazu …«
»Oh, Liebes, du musst dich doch nicht entschuldigen.« Sie wedelte mit der Hand. »Möchtest du dich nicht lieber setzen?« Als Laura es wortlos tat, hob sie eine Augenbraue. »Bist du immer so folgsam? Das hoffe ich doch nicht, denn du hast mir besser gefallen, als du mir das Kinn entgegengestreckt hast.«
Laura faltete die Hände auf dem Schoß. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Mir war nicht klar, dass Gabriel es euch schon mitgeteilt hatte. So wie ihr euch benommen habt …« Sie verstummte. Als Amanda geduldig abwartete, versuchte sie es erneut. »Ich dachte, ihr glaubtet, Michael wäre, nun, biologisch gesehen, Gabriels Sohn.«
»Sollte das einen so großen Unterschied machen?«
Jetzt war sie wieder ruhig, wenigstens äußerlich, und in der Lage, Amandas fragendem Blick zu begegnen. »Das hatte ich erwartet, jedenfalls bei einer Familie wie eurer.«
Amanda legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Soll ich dir sagen, dass Lorraine Eagleton eine Bekannte von mir ist?« Sie sah die Angst, die unvermittelt und voller Wucht in Laura aufstieg, und bremste sich. Ihr Taktgefühl ließ häufig zu wünschen übrig, aber grausam war sie nicht. »Wir reden ein anderes Mal über sie. Jetzt, finde ich, sollte ich dir etwas über mich erzählen. Ich bin eine befehlsgewohnte Frau, Laura, aber es stört mich nicht, wenn man meine Befehle verweigert oder mir welche erteilt.«
»Darin bin ich nicht sehr gut.«
»Dann wirst du es lernen müssen, nicht wahr? Ob wir Freundinnen werden oder nicht, kann ich noch nicht beurteilen, aber ich liebe meinen Sohn. Als er vor Monaten verschwand, war ich nicht sicher, ob ich ihn je wiedersehen würde. Du hast ihn mir, aus welchen Gründen auch immer, zurückgebracht, und dafür bin ich dankbar.«
Laura schwieg.
»Und was Michael betrifft, so sieht Gabriel ihn als seinen Sohn an. Tust du das ebenfalls?«
»Ja.«
»Es freut mich, dass du mit der Antwort keine Sekunde gezögert hast. Also, wenn ihr beide Michael als Gabriels Sohn anseht, warum sollten Cliff und ich es nicht tun?«
»Blutsbande.«
»Lassen wir die Eagletons vorläufig einmal außen vor«, erwiderte Amanda. Laura starrte sie wortlos an. »Angenommen, Gabriel hätte keine eigenen Kinder haben können und deshalb eines adoptiert, würde ich es doch auch lieben und als mein Enkelkind ansehen. Meinst du nicht, du solltest also mit dem Unsinn aufhören und die Dinge so akzeptieren, wie sie sind?«
»So wie du es sagst, klingt es so einfach.«
»Für mich klingt es so, als ob dein Leben bisher schon kompliziert genug gewesen wäre.« Amanda griff nach dem Glas Champagner, das sie zuvor abgestellt hatte. »Hast du etwas dagegen einzuwenden, dass wir Michaels Großeltern sind?«
»Ich weiß nicht.«
»Eine ehrliche Frau.« Amanda nahm einen Schluck.
»Hast du etwas dagegen einzuwenden, dass ich Gabriels Frau bin?«
Mit der leisesten Andeutung eines Lächelns prostete Amanda Laura zu. »Ich weiß nicht.
Weitere Kostenlose Bücher