Zauber einer Winternacht
Wir werden wohl beide abwarten müssen. Bis dahin fände ich es schrecklich, wenn ich Gabriel oder Michael nicht sehen dürfte, weil wir uns noch nicht entschieden haben.«
»Nein, natürlich nicht. Das würde ich dir nie antun. Schon wegen Gabriel. Ich würde ihm nie wehtun, das schwöre ich.«
»Liebst du ihn?«
»Wir haben … Gabriel und ich haben noch nicht darüber gesprochen. Ich brauchte Hilfe, und für ihn war es wichtig, sie geben zu können.«
Amanda verzog den Mund und musterte ihr Glas. »Ich glaube nicht, dass das meine Frage beantwortet.«
Das Kinn ging wieder in die Höhe. »Darüber sollte ich erst mit Gabriel reden, glaube ich.«
»Du bist zäher als du aussiehst. Dem Himmel sei Dank.« Sie leerte ihr Glas und stellte es ab. »Vielleicht werde ich dich gerade deshalb mögen, Laura. Aber es ist auch möglich, dass wir uns eines Tages nicht mehr ausstehen können. Wie auch immer, Gabriel hat sich für dich und das Kind entschieden, und damit gehört ihr zur Familie.« Sie lehnte sich zurück, zog beide Brauen hoch und spürte, wie die Zuneigung in ihr aufkeimte. »So wie du dreinschaust, begeistert der Gedanke dich offenbar nicht sonderlich.«
»Es tut mir leid. Ich bin es nicht gewohnt, zu einer Familie zu gehören.«
»Du hast eine schwere Zeit durchgemacht, nicht wahr?« Das Mitgefühl war zu hören, aber es war nicht übertrieben. Amanda nahm sich insgeheim vor, ein paar Nachforschungen über die Eagletons anzustellen.
»Ich hoffe, sie bald vergessen zu können.«
»Viel Erfolg. Manche Dinge sollten im Gedächtnis bleiben, andere vergisst man besser.«
»Darf ich etwas fragen?«
»Natürlich.«
»Nach wem hat Michael seinen Namen bekommen?« Amandas Blick schweifte zur Wiege hinüber und verharrte dort. Ihr Gesicht wurde plötzlich traurig, ihre Miene sanft, und Laura konnte nicht anders, als die Hand auf ihre zu legen. »Nach meinem Sohn, Gabriels jüngerem Bruder. Er starb vor etwas mehr als einem Jahr.« Mit einem langen Seufzen erhob sie sich. »So, wir gehen jetzt lieber, damit ihr euch in Ruhe hier einrichten könnt.«
»Vielen Dank fürs Kommen.«
»Um eins möchte ich dich noch bitten, Laura.« Amanda lächelte. »Nenn mich bitte Amanda oder Mandy oder sonst etwas, aber um Himmels willen nicht Mutter Bradley. Es hört sich scheußlich an.«
»Einverstanden.« Sie zögerte, weil sie nie genau wusste, was von ihr erwartet wurde. Dann gab sie dem nach, was sie im Herzen empfand, und küsste Amanda auf die Wange. »Vielen Dank für die Wiege. Es bedeutet mir viel, dass wir sie benutzen dürfen.«
»Mir auch.« Sie strich mit der Hand darüber, bevor sie den Raum verließ. »Clifton, hast du nicht gesagt, wir sollten höchstens eine halbe Stunde bleiben?«, rief sie in der Halle.
Von oben kam eine unverständliche Antwort. »Dauernd schnüffelt er in Gabriels Atelier herum, dabei kann der arme Kerl einen Monet nicht von einem Picasso unterscheiden. Aber er liebt Gabriels Arbeiten.«
»Er hat in Colorado einige wunderschöne Bilder gemalt. Du musst sehr stolz auf ihn sein.«
»Jeden Tag mehr.« Sie hörte ihren Mann herunterkommen und sah zur Treppe hinüber. »Lass mich wissen, wenn ich dir helfen kann, das Kinderzimmer einzurichten oder einen guten Kinderarzt zu finden. Außerdem wirst du wohl Verständnis dafür haben, wenn ich die Baby-Boutiquen leer kaufe.«
»Ich möchte nicht …«
»Gut, dann verstehst du es eben nicht. Aber du wirst es erdulden müssen. Gib deiner neuen Schwiegertochter einen Abschiedskuss, Cliff.«
»Dazu brauchst du mich nicht erst aufzufordern.« Statt einen förmlichen, bedeutungslosen Kuss auf die Wange zu bekommen, wurde Laura voller Herzlichkeit in die Arme genommen. »Willkommen bei den Bradleys, Laura.«
»Danke.« Sie unterdrückte den Wunsch, die Umarmung zu erwidern. »Ich hoffe, ihr lasst euch wieder sehen. Vielleicht nächste Woche, zum Dinner, wenn ich mich hier zurechtgefunden habe.«
»Kochen kann sie auch?« Er kniff ihr scherzhaft in die Wange. »Saubere Leistung, Gabriel.«
Nachdem sie gegangen war, stand Laura in der Halle und rieb sich die Wange. »Sie sind sehr nett.«
»Ja, das habe ich schon immer gefunden.«
Seine Stimme klang noch immer etwas gekränkt, also nahm sie ihren Mut zusammen und sah ihn ernst an. »Ich muss mich bei dir entschuldigen.«
»Vergiss es.« Er machte sich auf den Weg zur Bibliothek, blieb jedoch stehen und drehte sich um. »Hast du geglaubt, ich würde ihnen über Michael etwas vorlügen?
Weitere Kostenlose Bücher