Zauber einer Winternacht
Hast du wirklich geglaubt, ich würde das tun müssen?«
Sie hielt seinem Zorn stand. »Ja.«
Er öffnete den Mund, ohne etwas zu sagen. Ihre schlichte Antwort hatte ihm die Sprache verschlagen.
»Ich habe es wirklich geglaubt«, fuhr sie fort. »Aber ich bin froh, dass ich mich geirrt habe. Deine Mutter war sehr freundlich zu mir, und dein Vater …«
»Was ist mit meinem Vater?«
Er hat mich in die Arme genommen, wollte sie sagen. Aber sie glaubte nicht, dass er verstehen würde, wie nah ihr das gegangen war. »Er ist dir so ähnlich. Ich werde versuchen, sie nicht zu enttäuschen. Und dich auch nicht.«
»Vor allem solltest du dich selbst nicht enttäuschen.« Gabriel fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Es war durcheinander und gefiel ihr so am besten. »Verdammt, Laura, du stehst hier nicht vor Gericht. Du bist meine Frau, dies ist dein Zuhause, und die Bradleys sind deine Familie, ob ihr euch nun vertragt oder nicht.«
»Du musst mir Zeit lassen, mich an den Gedanken zu gewöhnen«, erwiderte sie ruhig. »Die einzigen Familien, die ich je kannte, haben mich bloß geduldet. Davon habe ich endgültig genug.« Mit einem Ruck drehte sie sich um und ging zur Treppe. »Und Michaels Zimmer werde ich selbst streichen.«
Nicht wissend, ob er fluchen oder lachen sollte, stand Gabriel am Fuß der Treppe und starrte ihr nach.
7. K APITEL
Laura strich die Fußbodenleisten in strahlendem Weiß. In der einen Hand hielt sie ein Stück Pappe und deckte damit die gelben Wände ab, mit der anderen trug sie den umweltfreundlichen Emaillelack vorsichtig auf. Aus einem Kofferradio in der Zimmerdecke drang Rockmusik. Sie hatte es leise eingestellt, um Michael sofort hören zu können, wenn er aufwachte. Es war das Radio, das in der Hütte auf der Arbeitsplatte gestanden hatte.
Gabriel war noch immer böse auf sie. Laura tauchte den Pinsel schulterzuckend wieder in den Topf. Vielleicht waren sie zu verschieden. Sie war noch immer Laura Malone, die von der falschen Seite der Bahnlinie stammte, die von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht worden war.
Und er war Gabriel Bradley, dessen Platz in der Gesellschaft in dem Moment festgestanden hatte, wo er geboren wurde. Ein Mann, der sich nie würde fragen müssen, ob er diesen Platz auch morgen noch innehatte.
Das war es, was sie für Michael wollte. Nur das. Das Geld, den Namen, das große geräumige Haus mit den breiten Fenstern und ausladenden Terrassen, darauf kam es gar nicht so sehr an. Viel wichtiger war es, irgendwo dazuzugehören. Und weil sie das wollte, wartete sie darauf, selbst jemandem zu gehören. Gabriel.
Aber er hielt sich von ihr fern. Er hatte sich angewöhnt nachts zu arbeiten und verbrachte seine Freizeit entweder ebenfalls im Atelier oder in der Galerie. Auch er konnte geduldig sein, ihr die Zeit lassen, die ihr Körper brauchte, um sich von den Strapazen der Schwangerschaft und der Geburt zu erholen.
»Immer noch dabei?«
Laura zuckte zusammen, und die Farbe tropfte ihr auf die Hand. Sie ließ sich auf die Absätze zurückfallen. »Ich habe dich gar nicht gehört.«
»Bleib da hocken«, bat er. »Du gibst ein prächtiges Bild ab.« Er trat ins Zimmer, sah erst auf die sonnigen Wände, dann zu ihr hinunter. Sie trug ein altes Paar Jeans, das offenbar aus seinen Beständen stammte, denn der viel zu weite Bund wurde von einer Wäscheleine zusammengehalten. Darüber flatterte eines seiner Hemden.
»Meins?«
»Ich hoffe, du hast nichts dagegen.« Sie wischte sich die Hand an einem Lappen ab. »Es waren schon Farbflecken darauf.«
»Vielleicht kennst du den Unterschied zwischen Malerei und …« er zeigte auf die frisch gestrichene Wand, »Malen nicht.«
Sie war kurz davor, sich zu entschuldigen, doch dann ging ihr auf, dass er scherzte. Vielleicht war die kritische Stimmung jetzt vorüber, vielleicht waren sie jetzt wieder Freunde. »Im Gegenteil. Ich habe mir von der Hose künstlerische Inspiration erhofft.«
»Du hättest sie dir direkt von der Quelle holen können.«
Sie legte den Pinsel quer über die offene Farbdose. »Ich hätte niemals vorzuschlagen gewagt, dass der berühmte Gabriel Bradley sein geniales Talent an einer mickrigen Fußbodenleiste verschwendet.«
Alles schien so einfach, wenn sie so war, entspannt, mit einem Anflug von Belustigung in den Augen. »Du hattest einfach nur Angst, dich vor mir zu blamieren.«
Sie lächelte ein wenig zögerlich. So hatte er sie seit Tagen nicht mehr angesehen. Hastig richtete sie sich halb
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