Zauber einer Winternacht
Er warf den Lappen auf die Trittleiter. »Wir bringen Michael erst her, wenn der Farbgeruch völlig verschwunden ist.«
»Gut«, stimmte sie mit abwesendem Blick zu, denn sie überlegte bereits, ob sie das Kinderbett zwischen die Fenster stellen sollte.
»So, jetzt wo das erledigt wäre, habe ich etwas für dich. Ein verspätetes Muttertagsgeschenk.«
»Aber du hast mir doch schon Blumen geschenkt.«
Er zog eine kleine Schachtel aus der Tasche. »Die waren von Michael. Außerdem blieb zwischen Motel und Krankenhaus nicht viel Zeit. Dies hier ist von mir.«
»Du brauchst mir nichts zu geben.«
»Du wirst lernen müssen, Geschenke anzunehmen.«
Natürlich, er hatte recht. Aber Tony war mit seinen Geschenken immer so verschwenderisch, so beiläufig und ohne tieferen Sinn gewesen. Sie hatten ihr kaum etwas bedeutet. »Danke.« Sie nahm die Schachtel, öffnete sie und starrte hinein.
Der Ring sah aus wie ein Kreis aus Feuer. Die Diamanten funkelten in ihrem goldenen Bett. Automatisch strich sie mit der Fingerspitze darüber.
»Er ist wunderschön. Aber …«
»Du brauchst einen.«
»Aber es ist ein Ehering, und ich habe doch schon einen.«
Er nahm ihre linke Hand und musterte sie. »Ich wundere mich, dass dir bei diesem Ding noch nicht der Finger abgefallen ist.«
»Mir gefällt er«, erwiderte sie und zog ihre Hand fort.
»So sentimental, Engel?« Er griff wieder nach ihrer Hand und hielt sie diesmal fester als zuvor. Jetzt würde er vielleicht endlich herausfinden, was sie wirklich für ihn empfand. »Hängst du so sehr an einem kleinen Stück Metall?«
»In den Bergen war es uns gut genug. Ich brauche nichts anderes.«
»Es war nur eine Übergangslösung. Ich verlange ja nicht von dir, ihn aus dem Fenster zu werfen. Aber denk einmal ein wenig praktisch. Du musst dauernd aufpassen, dass das Ding dir nicht vom Finger rutscht.«
»Ich könnte ihn enger machen lassen.«
»Wie du meinst.« Er streifte ihn ihr ab und ersetzte ihn durch den Diamantring. »Dann hast du eben zwei Eheringe.« Er gab ihr den schlichten Metallring, und Laura ballte die Hand darum. »Der neue hat dieselbe Bedeutung.«
»Er ist wunderschön.« Trotzdem schob sie den alten Ring auf ihren rechten Zeigefinger, wo er fester saß. »Danke, Gabriel.«
»Das haben wir schon einmal besser gekonnt.«
Er brauchte sie nicht daran zu erinnern. Die Bilder stiegen in ihr auf, als er die Arme um sie legte. Und mit den Erinnerungen kamen die Emotionen, kaum dass sie seinen Mund auf ihrem spürte. Seine Lippen waren fest und warm und verrieten seine Ungeduld. Obwohl seine Arme sie locker und behutsam hielten, erahnte sie, welch Vulkan in ihm brodelte und auf den Ausbruch wartete.
Wie um ihn zu besänftigen, hob sie die Hand und streichelte ihm die Wange.
Die Berührung steigerte sein Verlangen. Seine Arme legten sich fester um ihren Körper, der Mund verstärkte seinen Druck, sie reagierte mit einem leisen Aufstöhnen, das er kaum hörte, und einem Erschauern, das er kaum fühlte.
Er war kein unerfahrener Mann. Warum kam ihm dies wie eine vollkommen neue Erfahrung vor? Laura war nicht die erste Frau, die er in den Armen hielt, und doch hatte er eine solche Sanftheit, eine solche Zartheit noch nie erlebt.
Er schickte seinen Mund auf eine Erkundungstour über ihr Gesicht, das Kinn entlang, den Hals hinab, jeden Flecken ihrer Haut auskostend. Seine Hände glitten unter ihr Hemd, wanderten nach oben. Erst genügte ihm ihr schlanker Rücken, das kurze Erzittern, doch dann steigerte sich der Drang, sie zu berühren, sie zu besitzen. Als sein Mund wieder zu ihrem zurückkehrte, schloss seine Hand sich zunächst leicht, dann fordernder um ihre Brust.
Die erste Berührung raubte ihr den Atem. Hastig sog sie die Luft ein und stieß sie langsam wieder aus. Wie hätte sie wissen sollen, wie verzweifelt sie sich nach seinen Händen sehnte? Dies war es, was sie wollte. Ihm zu gehören, auf jede denkbare Weise. Die Konfusion, die Zweifel, die Ängste, alles wich von ihr. Keine bösen Erinnerungen drängten sich zwischen sie und ihn. Keine Einflüsterungen aus der Vergangenheit verfolgten sie. Es gab nur ihn und das Versprechen eines neuen Lebens und dauernder Liebe.
Ihre Knie zitterten, und sie suchte an ihm Halt. Ihr Körper bog sich ihm einladend entgegen, und die Versuchung, sie anzunehmen, war groß.
Der Raum duftete nach Farbe, und durch die leeren Fenster strömte das Sonnenlicht herein. Er war leer und ruhig. Gabriel malte sich aus, wie er sie
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