Zauber einer Winternacht
um Michael mit der Fingerspitze über den Kopf zu streichen. »Komm runter, sobald er seinen Appetit gestillt hat. Irgendwie habe ich nach diesem Nachmittag das Gefühl, er wird wie ein Stein schlafen, wenn er sich erst das Bäuchlein vollgeschlagen hat.«
»Ich komme gleich runter.« Als Gabriel gegangen war, schloss sie die Augen und hoffte inständig, dass sie den Mut haben würde, das zu tun, was sie sich für den Rest des Abends vorgenommen hatte.
Laura stand vor der verspiegelten Wand, die von ihrem Bad noch beschlagen war. Endlich sah sie wieder wie eine Frau aus. Ihr Nachthemd war von einem blassen Blau, fast weiß. Sie hatte es ausgesucht, weil es sie an den Schnee in den Bergen Colorados erinnerte. Spitzenverziert strömte es unterhalb der dünnen Träger an ihrem Körper hinab. Sie strich mit der Hand darüber. Der Stoff war sehr zart und sehr weich.
Gabriel streifte sich gerade das Hemd ab, als sie die Tür zum angrenzenden Schlafzimmer öffnete. Einen Moment lang fiel das von hinten kommende Licht auf ihr Haar und schimmerte durch das dünne Material ihres Nachthemds. Atemlos starrte er zu ihr hinüber. Es war wie eine lang ersehnte Premiere, über der sich gerade der Vorhang erhob. Er spürte die Hitze und die Anspannung in der Magengrube.
Dann löschte er das Badezimmerlicht und zog sich das Hemd ganz aus.
»Ich habe nach Michael gesehen.« Gabriel war erstaunt, dass er überhaupt Worte herausbrachte, aber sie klangen normal genug. »Er schläft. Ich dachte, ich arbeite noch eine Stunde oder zwei.«
»Oh.« Ihre Hände zuckten, und fast hätte sie wieder ihre Finger geknetet. Sie war eine erwachsene Frau. Eine erwachsene Frau, die eigentlich wissen sollte, wie sie ihren Ehemann verführen konnte. »Du hast einiges an Zeit verloren, weil ich ausgegangen bin.«
»Es hat mir Freude gemacht, auf ihn aufzupassen.« Sie war so schlank, so wunderschön zart, mit ihrer milchigen weißen Haut und dem blauweißen Nachthemd. Vor ihm stand wieder der Engel, diesmal mit blonder Lockenpracht statt des Heiligenscheins.
»Du bist ein wunderbarer Vater, Gabriel.« Sie machte einen Schritt auf ihn zu.
»Michael macht es mir sehr leicht.«
Hätte sie wissen können, wie schwer es war, einfach nur einen Raum zu durchqueren? »Mache ich es dir schwer, ein Ehemann zu sein?«
»Nein.« Er hob den Handrücken an ihre Wange. Ihre Augen waren um etliche Schattierungen dunkler als die Seide auf ihrer Haut. Überrascht, wie nervös er war, wich er zurück. »Du musst müde sein.«
Sie verschluckte ein Seufzen und wandte sich ab. »Offenbar kann ich das hier nicht sehr gut. Dich zu verführen klappt nicht so recht, also gehen wir es sachlicher an.«
»War es das, was du versucht hast?« Er wollte sich darüber amüsieren, doch seine Muskeln waren zu gespannt. »Mich zu verführen?«
»Ohne Erfolg.« Sie zog die Schublade auf und holte einen kleinen Zettel heraus. »Dies ist die Bescheinigung meiner Ärztin. Darin steht, dass ich eine normale gesunde Frau bin. Möchtest du es lesen?«
Diesmal zuckten seine Lippen. »Du denkst an alles, was?«
»Du hast gesagt, du willst mich.« Sie zerknüllte das Papier in ihrer Hand. »Ich dachte, du meinst es ernst.«
Bevor sie zurückweichen konnte, hatte er schon die Arme um sie gelegt. Ihre Augen waren trocken, doch ihr ins Wanken geratener Stolz entging ihm auch so nicht. Was sie mit ihm verband, war erst ein zartes Pflänzchen. Er durfte keinen Fehler machen, sonst würde es eingehen, bevor es überhaupt erblüht war.
»Ich habe es ernst gemeint, Laura. Das habe ich vom ersten Tag an getan. Es war nicht leicht für mich, mit dir zusammen zu sein, dich so sehr zu brauchen und dich nicht berühren zu können.«
Sie legte ihm eine Hand auf die Brust. »Jetzt kannst du es.«
Er ließ die Hände nach oben, zu ihren Schultern gleiten, bis er mit den Fingern die dünnen Träger ertastete. Vielleicht war es ein Fehler, aber ihm blieb keine andere Wahl, als ihn zu begehen. »Jedenfalls spricht kein körperlicher Grund dagegen«, sagte er. »Wenn ich mit dir ins Bett gehe, darf es nur uns beide geben. Keine Gespenster aus der Vergangenheit. Keine Erinnerungen.« Als sie den Blick senkte, zog er sie fester an sich, bis sie ihn wieder hob. »Du wirst an niemanden anderen als an mich denken.«
Ohne zu wissen, ob er das nun als Drohung oder als Versprechen gemeint hatte, senkte er seinen Mund auf ihren. Ihre Hände zuckten, bis ihre beiden Körper sie gefangen hielten.
Es waren
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