Zauber einer Winternacht
Mrs. Eagleton.« Ohne darauf zu warten, dass Lorraine sie hereinbat, betrat er die Suite. Laura hätte das nie getan.
»Das ist sehr verantwortungsbewusst von Ihnen.« Lorraine ließ die Tür mit einem leisen Klicken ins Schloss fallen. »Allerdings handelt es sich bei einigen von den Dingen, die Laura und ich zu besprechen haben, um Familienangelegenheiten. Ich bin sicher, Sie verstehen das.«
»Ich verstehe das sehr gut.« Sein Blick stand ihrem an kühler Schärfe in nichts nach. »Meine Frau und mein Sohn sind meine Familie.«
Der Kampf lief schweigend ab, und Laura hielt unwillkürlich den Atem an, bis Lorraine sich schließlich geschlagen gab. »Wenn Sie darauf bestehen. Bitte setzen Sie sich doch. Ich werde Kaffee bestellen. Der Service hier ist ganz passabel.«
»Nicht nötig.« Laura war die Nervosität kaum anzuhören, als sie sich einen Platz suchte. »Ich glaube nicht, dass wir lange brauchen werden.«
»Wie du meinst.« Lorraine nahm ihnen gegenüber Platz. »Mein Mann wäre ebenfalls gern hier gewesen, aber er ist durch eine Geschäftsreise verhindert. Ich spreche allerdings auch in seinem Namen.« Wie um diese Aussage zu unterstreichen, legte sie die Hände auf die Sessellehnen. »Ich wiederhole einfach, was bereits gesagt wurde. Ich beabsichtige, mit Tonys Sohn nach Boston zurückzufliegen und ihm dort eine angemessene Erziehung zu verschaffen.«
»Und ich wiederhole, Sie bekommen ihn nicht.« Ein letztes Mal würde sie es mit sachlichen Argumenten versuchen. Sie beugte sich vor. »Er ist ein Baby, kein Erbstück, Mrs. Eagleton. Er hat ein gutes Zuhause und Eltern, die ihn lieben. Er ist ein gesundes, hübsches Kind. Dafür sollten Sie dankbar sein. Wenn Sie über ein vernünftig geregeltes Besuchsrecht reden wollen …«
»Das werden wir«, fiel Lorraine ihr ins Wort. »Über deins. Und wenn es nach mir geht, werden die Besuche kurz und selten sein. Mr. Bradley«, fuhr sie fort, sich von Laura abwendend. »Sie wollen doch sicher nicht das Kind eines anderen Mannes aufziehen wollen. Es hat nicht Ihr Blut. Und Ihren Namen auch nur deshalb, weil Sie, aus welchen Gründen auch immer, seine Mutter geheiratet haben.«
Gabriel holte eine Zigarette heraus und zündete sie gemächlich an. Laura hatte ihn gebeten, nicht die Fassung zu verlieren. So schwer ihm das auch fiel, jetzt war tatsächlich nicht der richtige Zeitpunkt dafür. »Sie irren sich gewaltig«, entgegnete er nur.
Sie seufzte fast ein wenig mitleidig. »Ich verstehe, dass Sie etwas für Laura empfinden. Das hat mein Sohn auch getan.«
Das erste Glied der Kette, die er um seinen Zorn gelegt hatte, zerbrach in zwei saubere Hälften. Das war seinen Augen anzusehen und jedem Wort anzuhören, das wie ein Pistolenschuss aus seinem Mund kam. »Wagen Sie es nicht noch einmal, meine Gefühle für Laura mit denen Ihres Sohnes zu vergleichen.«
Lorraine wurde etwas blasser, aber ihr Tonfall blieb unverändert. »Ich habe keine Ahnung, was sie Ihnen möglicherweise erzählt hat …«
»Ich habe ihm die Wahrheit erzählt.« Bevor Gabriel etwas sagen konnte, legte Laura ihm die Hand auf den Arm. »Ich habe ihm erzählt, dass Tony krank war, emotional instabil. Und Sie wissen, dass das wahr ist.«
Jetzt war es Lorraine, die die Fassung zu verlieren begann. Sie stand aus ihrem Sessel auf. Ihr Gesicht war gerötet und wirkte auf einmal erschöpft. »Ich werde mir nicht anhören, wie mein Sohn in den Dreck gezogen wird.«
»Sie werden zuhören.« Lauras Finger krallten sich in Gabriels Arm. »Sie werden mir so zuhören, wie Sie mir früher nie zugehört haben, wenn ich Hilfe brauchte. So wie Sie nie hinhörten, wenn Tony herumbrüllte. Er war Alkoholiker, ein emotionales Wrack, der einen schwächeren Menschen missbrauchte. Sie wussten, dass er mir wehtat. Sie haben die blauen Flecken gesehen und sie ignoriert oder entschuldigt. Sie wussten, dass es andere Frauen gab. Mit Ihrem Schweigen haben Sie seinem jämmerlichen Treiben zugestimmt.«
»Was sich zwischen dir und Tony abspielte, ging mich nichts an.«
»Damit müssen Sie leben. Aber ich warne Sie, Lorraine. Wenn Sie den Deckel öffnen, werden Sie sich wundern, was alles herauskommt.«
Lorraine setzte sich wieder, wenn auch nur, weil Lauras Tonfall eine ungewohnte Schärfe bekommen und sie sie erstmals beim Vornamen genannt hatte. Jetzt waren sie gleichwertige Gegnerinnen. Dies war nicht mehr die verängstigte, leicht einzuschüchternde Frau, wie sie sie noch vor einem Jahr gekannt
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