Zauber einer Winternacht
gesprochen. Wollte Gabriel überhaupt welche? Wollte sie selbst welche? Sie strich sich mit der Hand über den inzwischen wieder flachen Bauch und stellte sich ein neues Kind darin vor. Diesmal wäre es Gabriels Kind, vom allerersten Moment an. Ja, das wollte sie. Sie blickte zu Amanda hinüber, die sie ruhig und verständnisvoll musterte.
»Es ist schwer, Entscheidungen zu treffen, wenn man in einer Situation wie dieser steckt.«
»Ganz genau. Aber die geht vorüber. Und wenn das vorüber ist, womit willst du dich dann beschäftigen? Da ich über zwei Jahrzehnte mit Gabriel unter einem Dach gelebt habe, weiß ich, dass er sich für Stunden und Tage in seinem Atelier vergräbt, wenn ihn die Muse ruft.«
»Das stört mich nicht. Wie sollte es auch? Ich sehe doch, was dabei herauskommt.«
»Eine Frau braucht eine sinnvolle Aufgabe ebenso sehr wie ein Mann. Sicher, sie kann sich um ihre Kinder kümmern, aber …« Sie griff nach der Handtasche, öffnete sie und holte eine Visitenkarte heraus. »In der Innenstadt gibt es ein Beratungszentrum für misshandelte und missbrauchte Frauen. Es ist ziemlich klein und nicht sehr gut ausgestattet. Noch nicht«, fügte sie hinzu, denn sie wollte daran etwas ändern. »Sie brauchen ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, Frauen, die verstehen, die wissen, dass es auch nach der Hölle wieder ein normales Leben geben kann.«
»Ich bin keine Therapeutin.«
»Man braucht kein Studium, um dort mitzuhelfen.«
»Nein.« Laura starrte auf die Visitenkarte. Die Idee begann sich bereits in ihrem Kopf festzusetzen. »Ich weiß nicht. Ich …«
»Denk einfach mal darüber nach.«
»Amanda, bist du in dem Beratungszentrum gewesen?«
»Ja. Cliff und ich sind gestern hingefahren. Wir waren sehr beeindruckt.«
»Warum seid ihr hingefahren?«
»Weil es jemanden gibt, der uns sehr viel bedeutet und den wir besser verstehen wollen. Bleib sitzen.« Amanda stand auf. »Ich finde schon allein hinaus. Grüß Gabriel von mir und sage ihm, sein Vater möchte wissen, ob sie jemals wieder Poker spielen werden. Der Mann liebt es, sein Geld zu verlieren.«
»Amanda.« Laura streifte sich die Schuhe ab, bevor sie sich in den Sessel kuschelte. »Ich habe nie eine Mutter gehabt, und die, die ich mir immer vorgestellt habe, war ganz anders als du.« Sie lächelte, noch während ihr die Augen zufielen. »Ich kann nicht sagen, dass ich darüber enttäuscht wäre.«
»Du machst dich«, sagte Amanda und ließ eine bereits schlafende Laura zurück.
Laura saß noch immer zusammengekuschelt im Sessel, als Gabriel zurückkam. Er lehnte das sperrige Paket gegen die Wand. Als selbst das Rascheln des Papiers sie nicht weckte, ging er zur Couch. Selbst die Energie, seinen Skizzenblock zu nehmen, fehlte ihm. Er streckte die Beine von sich und schlief Sekunden später ein.
Das Baby weckte sie beide. Gabriel stöhnte nur und zog sich ein Kissen übers Gesicht. Laura richtete sich auf, blinzelte erst orientierungslos im Raum herum, dann zu Gabriel hinüber und tastete sich schließlich nach oben.
Kurz darauf folgte er ihr.
»Mein Timing ist ausgezeichnet«, entschied er, als er sah, dass Laura gerade eine frische Windel verschloss.
»Ich habe mich auch schon gefragt, was mit deinem Timing los ist.« Aber sie lächelte, während sie Michael in die Luft hob, um ihn zum Lachen zu bringen. »Seit wann bist du zu Hause?«
»Lange genug, um mitzubekommen, dass meine Frau den Tag verschläft.« Sie runzelte in gespielter Entrüstung die Stirn, und er nahm ihr Michael ab. »Meinst du, er würde heute Nacht durchschlafen, wenn wir ihn jetzt beschäftigen und ihn so wach halten?«
»Ich finde, wir sollten nichts unversucht lassen.«
Gabriel setzte sich mit Michael auf den Fußboden und erfand eine ganze Reihe von Spielen, bei denen das Baby sehr zu seiner Freude erst gekitzelt, dann geschaukelt und schließlich zu einem fliegenden Menschen gemacht wurde.
»Du kommst so gut mit ihm zurecht.« Laura hatte ihre Erschöpfung überwunden und setzte sich zu den beiden auf den Fußboden. »Kaum zu glauben, dass du als Vater ein Anfänger bist.«
»Ich habe nie darüber nachgedacht, wie es ist, einer zu sein. Offenbar bin ich ein echtes Naturtalent.«
»Gabriel, deine Mutter ist vorbeigekommen.«
»Sollte mich das überraschen?«
Sie beugte sich vor, damit Michael an ihrem Haar zupfen konnte. »Sie hat mir eine Visitenkarte dagelassen, von einem Beratungszentrum für missbrauchte Frauen.«
»So?« Er befreite ihre Locke aus
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