Zauber-Schloss
ein Kind mit ihr gezeugt – zum Wohle des Reichs. Trent verlangte nichts von seinen Untertanen, was er sich nicht auch selbst abverlangt hätte.
»Ich werde nie ein solcher Mann werden, wie Ihr es seid«, sagte Dor demütig.
Der König erhob sich und klopfte ihm so heftig auf die Schulter, daß Grundy beinahe heruntergefallen wäre. Trent mochte vielleicht alt sein, aber er war immer noch kräftig. »Ich bin auch nie der Mann gewesen, der ich bin«, erwiderte er. »Ein Mann ist nur das, was er zu sein scheint. In seinem Inneren mag es einen ganzen Haufen nagender Würmer des Zweifels, der Wut und der Trauer geben.« Er begleitete Dor mit Bestimmtheit zur Tür und blieb nachdenklich stehen. »Keine Herausforderung ist leicht. Ein Mann läßt sich nur nach dem messen, wie er sich einer Herausforderung stellt, wenn es nötig ist. Ich biete dir eine Herausforderung an, die eines Magiers und Königs würdig ist.«
Plötzlich stellte Dor fest, daß er im Korridor stand. Er war noch immer verwirrt. Selbst Grundy sagte nichts mehr.
Das Schloß des Guten Magiers Humfrey lag östlich von Schloß Roogna, zwar keinen Drachenflug weit, aber doch über eine Tagesreise durch die trügerische Wildnis entfernt, die für einen Jungen, der zu Fuß ging, voller Gefahren steckte. Zu Humfrey führten keine verzauberten Wege, denn der Magier verabscheute Gesellschaft. Die Pfade führten alle nur weg vom Schloß. Dor durfte sich auch nicht per Zauber sofort dorthin projizieren lassen; denn es ging immerhin um seine persönliche Aufgabe, um eine Herausforderung, die er allein bewältigen mußte.
Am Morgen machte er sich auf den Weg und setzte sein Talent ein, um wenigstens einen Teil der Probleme zu lösen. »Steine, gebt einen Warnpfiff ab, wenn ich mich irgend etwas nähern sollte, das für mich gefährlich ist. Und sagt mir den besten Weg zum Schloß des Guten Magiers.«
»Wir können dir wohl sagen, was gefährlich ist«, erwiderten die Felsen. Für ihn gab es kein steinernes Schweigen! »Aber wir wissen nicht, wo das Schloß des Guten Magiers liegt. Er hat überall kleine Vergessenszauber ausgestreut.«
Das hätte er sich eigentlich denken können. »Ich bin schon einmal dort gewesen«, sagte Grundy hilfsbereit. »Es liegt nicht sehr weit südlich von der Spalte. Halte dich in Richtung Norden bis zur Spalte, dann gen Osten und dann wieder nach Süden bis zum Schloß.«
»Und wenn ich mich verlaufe, wo komme ich dann hin?« fragte Dor mißmutig.
»Höchstwahrscheinlich in den Bauch eines Drachen.«
Dor hielt sich nordwärts und achtete sorgfältig auf die Pfiffe. Die meisten Bürger von Xanth wußten nichts von der Spalte; denn über ihr hing ein Unbekanntheitszauber, aber Dor hatte sein ganzes Leben in ihrer Nähe verbracht und sie mehrere Male aufgesucht. Von seinem Talent gewarnt, wich er allerlei Gefahren aus: Drachenspuren, Gewirrbäumen, ganzen Rudeln von Ameisenlöwen, Würgnesseln, Sägegras und vielen anderen mehr. Nur sein Vater Bink konnte die Wildnis ohne größere Sorge allein durchqueren, und vielleicht auch der König selbst. Trotzdem war Grundy nervös. »Wenn du nicht alt genug werden solltest, um einmal König zu werden, dann sitze ich tief in der Tinte«, meinte er nicht ohne Galgenhumor.
Als sie hungrig wurden, wiesen die Steine ihnen den Weg zum nächsten Brotlaibbaum, zu Limonadensträuchern und Kaugummibäumen. Dann ging es immer weiter. Langsam neigte sich der Tag seinem Ende zu.
»He!« sagte Grundy plötzlich. »Von Humfreys Schloß zur Spalte führen doch mehrere Einbahnpfade. Da werden wir doch bestimmt auf einen davon stoßen! Die Steine werden wissen, wo ein solcher Pfad verläuft, denn sie werden gesehen haben, wie Leute dort entlanggegangen sind. Die Vergessenszauber beziehen sich schließlich nur auf den Standort des Schlosses, nicht auf einzelne Leute. Auf diese Weise können wir sie umgehen.«
»Stimmt!« meinte Dor. »Steine, habt ihr solche Reisende gesehen?«
»Nein!« erwiderten die Steine im Chor. Doch Dor fragte immer wieder nach, während sie weiterschritten, und endlich stießen sie auf Steine, die tatsächlich Reisende bemerkt hatten. Nach einigem Hin und Her gelang es ihm, einen der gesuchten Pfade ausfindig zu machen, und er machte einen Schritt in Richtung Spalte: Plötzlich lag er vor ihnen, ein Pfad, der auf eine Brücke führte, die über der Spalte hing. Doch als er sich wieder umdrehte, war nur der Dschungel zu sehen. Wirklich faszinierende Magie, diese
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