Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
an.
»Von einem
Laptop weiß ich nichts.«
Merana verzichtete
darauf, nachzustoßen. Vermutlich hatte der Sänger ihn vernichtet. Vielleicht hatte
Emina Tagebuch geführt. Vielleicht hatte sie auf dem Computer auch Dokumente gespeichert,
die sich auf ihre Mutter und die Vaterschaft von Hebenbronn bezogen. Der Kommissar
zog das Handy aus der Tasche.
»Ihr könnt
jetzt kommen.«
Zwei Minuten
später bog das Auto der Tatortgruppe auf den Weg des Grundstücks ein. Gleich dahinter
folgte der Wagen der Staatsanwältin, dem auch die Chefinspektorin und Otmar Braunberger
entstiegen. Ferdinand Hebenbronn hockte mit leerem Blick auf seinem Stuhl. Von dem
fürstlichen Gehabe, mit dem er noch vor zwei Tagen den Sarastro auf der Festspielbühne
dargestellt hatte, war nicht viel geblieben. Zwei Polizisten in Uniform erschienen,
um ihn abzuführen. Er stand langsam auf.
»Es war
ein Unfall, Herr Kommissar. Ein bedauernswerter Unfall.«
Merana erwiderte
nichts darauf sondern wartete, bis die Beamten mit dem Verhafteten draußen waren.
Dann nahm er Eminas Foto vom Tisch. Der Ausdruck der stillen Traurigkeit in ihren
Augen tat ihm weh. Hatte Dinharazade jemals in ihrem Leben gelächelt? Er steckte
das Foto zusammen mit den Unterlagen in die Tasche. An der Tür blieb er stehen.
Die zylinderförmige Steinskulptur war ihm schon beim Hereinkommen aufgefallen.
Für unseren
hochverehrten Stammgast
Herrn Kammersänger
Ferdinand Hebenbronn
Er holte den Chef der Spurensicherung.
»Nehmt die bitte mit.«
Keiner wollte nach Hause. Sie hatten
Hebenbronn im Präsidium noch einmal verhört und ihn mit allen Fakten konfrontiert,
die ihnen bekannt waren. Dann wurde der Sänger in die Justizanstalt überstellt.
Sie saßen im großen Sitzungszimmer. Die Deckenbeleuchtung war nur zur Hälfte eingeschaltet.
Die Tafel mit den bunten Karteikarten und den Fotos lag im Halbdunkel. Die Chefinspektorin
hatte die Beine auf einem Sessel hochgelagert. Auf dem Boden neben ihrem Stuhl stand
ein Glas mit einem Rest Rotwein. Merana bemerkte, wie sich die Müdigkeit von seinen
Schultern aus langsam in jede Zelle des Körpers fraß. Er hatte seit 44 Stunden nicht
geschlafen. Dennoch spürte er nicht das Verlagen, heim zu fahren. Otmar Braunberger
nuckelte nachdenklich an der kleinen Bierflasche, die er vorhin aus dem Kühlschrank
der Abteilungsküche geholt hatte. Alle drei schwiegen. Sie konnten nicht anders,
als die dichten Ereignisse der vergangenen Tag Revue passieren zu lassen.
Die Ereignisse
der letzten Stunden hatten sich förmlich überschlagen. Nach einer Weile stand der
Abteilungsinspektor auf, löste das Foto von Eminas Tante von der großen Tafel und
setzte sich wieder. Er schaute lange auf das Bild. »Das ist eine ältere Aufnahme.
Sie ist nicht gut darauf getroffen.« Die anderen beiden hoben die müden Köpfe. Er
drehte das Foto in ihre Richtung. »Inzwischen hat sie die Haare gefärbt. Mevlida
Supic war immer schon die stärkere der beiden Schwestern gewesen. Sie hatte sich
gegen die Familie durchgesetzt und war nach Frankreich gegangen, um zu studieren.
Sie lebt erst seit einem halben Jahr wieder in Deutschland. Ihre jüngere Schwester
Sabina war eine Schönheit, aber schon als Kind sehr verschüchtert. Sie durfte keine
Ausbildung machen, verdiente als junge Frau ihren Lebensunterhalt mit Putzen, unter
anderem im Bielefelder Theater. Hebenbronn, der dort für ein Jahr engagiert war,
hat sie öfter bedrängt, erzählt zumindest die Schwester. Eines Tages ist er über
sie hergefallen. Das habe ich auch im Protokoll der Aussage festgehalten. Er war
betrunken. Es kam nie zu einer Anzeige. Die junge Bosnierin hatte Angst vor der
Schande. Die Familie hat die Schwangere verstoßen, da war die ältere Schwester schon
in Paris. Sabina Saric ist daran zerbrochen. Sie hatte einen tiefen Hass auf den
Mann, der ihr das alles angetan hatte. Sie nahm Medikamente, wurde schließlich abhängig.«
»Und sie
hat diesen Hass auf ihre Tochter übertragen.« Carolas Stimme merkte man die Müdigkeit
an.
Mutter,
durch dich leide ich,
und dein
Fluch verfolget mich.
Merana musste an Paminas Worte aus
der Zauberflöte denken.
»Die Tante
hat mir auch erzählt, dass Emina mit 17 Jahren versucht hatte, sich das Leben zu
nehmen. Eine Schulfreundin fand sie rechtzeitig. Sie hatte Tabletten geschluckt.
Vielleicht hatte Emina das Barbiturat ja auch für sich selbst besorgt.« Braunberger
stand auf und fixierte das Foto der Frau wieder auf der Tafel,
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