Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
personelle Ausstattung.
Carola nahm
einen Weißwein und Merana wählte einen Nero d’Avola, einen Wein aus der sizilianischen
Heimat des Lokalbesitzers. Die anderen Tische mit den ›Reserviert‹ Schildern waren
immer noch unbesetzt. »Da werden wohl einige der Premierenbesucher nicht mehr kommen«,
sagte Carola leise, als der Wirt ihr den Weißwein reichte. »Ja, ich fürchte, Sie
haben Recht, signora.« Er deutete mit der Hand eine bedauernde Geste an und verschwand
wieder hinter der Theke. Merana und die Chefinspektorin nippten an ihren Gläsern.
Eine Zeit lang herrschte Schweigen. In die gedämpfte Unterhaltung im Raum mischten
sich ab und zu kurze laute Worte, Ausdruck von Erstaunen. Die Nachricht vom Unfall
im Festspielhaus machte offenbar ihre Runde im Restaurant. Das ›Da Sandro‹ gehörte
zu Meranas Lieblingslokalen in Salzburg. Er war in den letzten Jahren regelmäßig
hier zu Gast gewesen, meistens mit Birgit. Sein Blick blieb an einem Bild hängen,
das ihm gegenüber an der Wand angebracht war. Er mochte dieses Gemälde. Es zeigte
einen Blick aufs Meer, von Monte Erice aus, einer kleinen Stadt auf dem gleichnamigen
Berg im äußersten Westen Siziliens. Normalerweise fand Merana ein beglückendes Gefühl
der Ruhe, wenn er sich in den Anblick des Ölgemäldes versenkte. Aber heute schoben
sich immer wieder andere Eindrücke darüber. Er sah die nach Halt ringende Gestalt
der sternflammenden Königin, die von ihrer durchsichtigen Säule auf den Boden krachte.
Eine laute Männerstimme durchschnitt das Gemurmel im Raum. Merana wandte den Kopf.
Jemand hatte den Ton am TV-Gerät über der Theke eingeschaltet. Zu sehen war ein
Nachrichtensprecher des ORF. Hinter ihm erkannte man ein Foto von Anabella Todorova
als Königin der Nacht. ›Gefeierte Sängerin tot‹, war als Insert unter dem Bild zu
lesen. Der Nachrichtensprecher bestätigte, was Merana und Carola Salman schon erwartet
hatten. Die bedauernswerte Todorova war offenbar so unglücklich gefallen, dass sie
den Sturz nicht überlebt hatte. Der Sender brachte jetzt Szenenausschnitte aus verschiedenen
Opern und danach ein ausführliches Porträt der Sängerin. Anabella Todorova in ihren
Glanzpartien als Salome, Lucia di Lammermoor, Violetta in ›La Traviata‹, Dona Anna
in ›Don Giovanni‹ und immer wieder als Königin der Nacht, ihrer weltweit gefragten
Paraderolle. Merana bewunderte die Leistungen von Profis in jedem Metier. Dass es
den Kulturleuten im Fernsehen gelungen war, so schnell ein Porträt der eben Verstorbenen
auf den Bildschirm zu zaubern, nötigte ihm Respekt ab.
»Entschuldigen
Sie meine Forschheit, Sie sind doch von der Kriminalpolizei, oder?«
Merana wandte
seinen Blick vom TV-Bildschirm ab. Der Mann neben ihm war groß, an die zwei Meter.
Er trug einen dunklen Anzug mit silberfarbener Krawatte. Die Schädeldecke glänzte
kahl in der eher intimen Beleuchtung des Lokales. Nur seitlich am Kopf des Herrn
wucherten rechts und links ein paar lockige Strähnen, die wohl ursprünglich einmal
braun gewesen waren.
»Ja«, nickte
Merana. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich will
Sie und Ihre verehrte Begleitung gar nicht lange stören.« Er deutete eine kurze
Verbeugung in Richtung Carola an. »Ich möchte Sie nur gerne etwas fragen.«
Merana wies
auf einen der freien Stühle an ihrem Tisch. Der Mann schüttelte den Kopf und blieb
stehen. »Glauben Sie, dass es ein Unfall war?« Er zeigte mit der Hand in Richtung
Fernsehgerät, auf dem nun eine Reporterin zu sehen war, die offenbar vor dem Festspielhaus
Besucher zum tragischen Unglück befragte.
»Warum sollte
ich annehmen, dass es keiner war?«
Der Mann
griff in die Innentasche seines Sakkos, nestelte eine große, längliche Brieftasche
hervor, entnahm ihr eine Karte und reichte sie Merana.
»Vielleicht
haben Sie Zeit, mich morgen zu besuchen. Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Ich bin
davon überzeugt, dass es kein Unfall war.«
Merana schaute
kurz auf die Karte. ›Robert Neuenberg. Musiker‹, stand da in altmodisch geschwungenen
Lettern. Und eine Adresse: ›Salzburg. Kapuzinerberg 13.‹
»Wollen
Sie sich nicht doch setzen und mir und meiner Kollegin jetzt gleich erzählen, was
Sie zu der Annahme bringt, der Tod von Frau Todorova sei kein Unfall gewesen?«
Der Mann
im dunklen Anzug schüttelte erneut den Kopf. Die Haarfransen flatterten wie kleine
Federn.
»Nein, ich
muss noch etwas überprüfen. Morgen wäre es mir lieber. Ich bin ein Frühaufsteher.
Passt Ihnen fünf
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