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Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)

Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)

Titel: Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Baumann
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Priester war allerdings
wenig würdevoll. Eher gestelzt, wie Kraniche, die ein Lineal verschluckt hatten.
Die Eingänge zu den verschiedenen Tempeln im Bühnenbild waren nur angedeutet durch
aneinandergelehnte Säulen, die Merana an überdimensionale Zirkel erinnerten. Die
Bilder mit den Symbolen der Freimaurer aus dem Vortrag von Ulrich Peterfels fielen
ihm ein. Durch das größte dieser Zirkeltore trat jetzt Sarastro und begann das Gespräch
mit der Schar der Eingeweihten. Das Schicksal des Prinzen Tamino stand zur Debatte.
Der Eindruck der Gestelztheit blieb auch, als Sarastro das feierlich getragene O
Isis und Osiris anstimmte, dessen letzte Strophenzeile der Chor der Priester
wiederholte. Vielleicht gehörte diese merkwürdige Steifheit der Priester zum Stil
der Inszenierung. Merana gefiel sie dennoch nicht. Sie passte so gar nicht zur würdigen
Gelassenheit der Musik, in der etwas mitschwang, das mit jener Ruhe zu tun hatte,
die zu erreichen im normalen Alltag oft schwer ist. Der weitere Fortgang des Spieles
gefiel Merana weitaus besser. Papageno und Tamino, die von den Priestern in den
Prüfungstempel geführt wurden, waren ein köstliches Paar. Der schwarze Sklavenaufseher
Monostatos, der sich an die schlafende Pamina heranpirschte, brillierte in seiner
schillernden Charaktermischung aus intrigantem Voyeur und bedauernswertem armem
Teufel. Und dann kam die Szene, auf die alle hier im Saal mit großer Spannung warteten.
Monostatos beugte sich zu den letzten Tönen seiner Arie mit gierig zitternden Händen
über die malerisch aufs Bett hingestreckte Pamina. Da krachte ein gewaltiger Donnerschlag
durch das Theaterrund, mit vielfach verzerrtem Echo. Grelle Blitze zuckten durch
die Dunkelheit. Dann erschallte ein herrisches Zurück!!! Der arme Mohr prallte
nach hinten, zu Tode erschrocken. Mitten in der Szene stand die Königin der Nacht.
Ganz plötzlich war sie da gewesen. Es hatte den Eindruck, als schwebe sie zwei Meter
über dem Boden. Was für ein Effekt!, dachte Merana. Sie war tatsächlich wie aus
dem Nichts ›erschienen‹. Erst als sich Meranas Augen an die neue Lichtstimmung gewöhnt
hatten, bemerkte er, dass die Königin auf einer durchsichtigen Säule stand. Dieser
Pfeiler musste mit der Sängerin aus dem Bühnenboden hochgefahren sein, während die
Zuschauer durch den Donner und den blitzenden Lichteffekten abgelenkt waren. War
es eine Täuschung der Sinne, oder hatte die stattliche Anabella Todorova in ihrem
weiten sternenbesäten Kleid eben kurz geschwankt? Hatte sie sich kurz an dem schmalen
Geländer an der Vorderseite der Säule abgestützt oder hatte es nur so gewirkt? Merana
blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, denn in diesem Augenblick setzte das Orchester
mit Geigentremolo und mächtigem Schlag ein. Und Anabella Todorova, die weltweit
gefeierte Sängerin der Königin der Nacht, würde mit der nun folgenden Arie der glanzvollen
Zauberflötenpremiere der Salzburger Festspiele die Krone aufsetzen.
    Der Hölle
Rache kocht in meinem Herzen. Tod und Verzweiflung … Das erste
hohe G bei Tod schallte makellos und strahlend durch den riesigen Saal des
Großen Festspielhauses. Wie eine Girlande, an der jeder einzelne Ton glitzerte,
perlte die erste Koloratur aus dem Mund der großen Todorova . Sarastro Todesschmerzen …
    Wieder hatte
Merana den Eindruck, die Sängerin habe kurz geschwankt, suchte mit der Rechten Halt
an dem kaum wahrnehmbaren, durchsichtigen Geländer. Mit der Linken griff die Todorova
sich kurz an den Kopf, der von einem prächtigen Halbmond geschmückt war. So bist
du, nein, meine Tochter nimmermehr.
    Jetzt kam
sie, die erste wirklich waghalsige Koloratur. Aaah-a-ha-ha-a-ha-ha …
    Mitten im
Lauf der aberwitzig hohen, stakkatoartig herausgeschleuderten Töne, noch ehe sie
das rettende Ufer des ersten tieferen Tones erreiche konnte, brach die Stimme der
Sängerin ab. Die Todorova taumelte zurück, versuchte das Sicherheitsgeländer zu
fassen, verfehlte es und kippte nach hinten. Wie ein glänzender, sternenübersäter,
riesiger Sack donnerte die Frau auf den harten Bühnenboden. Der kollektive Aufschrei
des gesamten Publikums und die energische Bewegung des Dirigenten, der das Orchester
stoppte, erfolgten nahezu zur gleichen Zeit. Für einen Herzschlag lang herrschte
Stille. Als würde ein riesiges Wesen mit mehr als 2.000 Köpfen den Atem anhalten.
Dann passierte alles nahezu gleichzeitig. Carlotta
Veitsch , die Darstellerin der Pamina, stürzte zur reglos am Boden

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