Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
Innere
des Lokales. Doch wer wollte an einem derart prächtigen Sommermorgen schon im Inneren
des Caféhauses Platz nehmen? Auch den drei Touristen war ein Platz auf der Terrasse
lieber. Hier hatte man die heute tief blaue, mit silbrigen Schaumspitzen gleißende
Salzach vor sich und gleich dahinter das leuchtende Panorama der Stadt. Ein Postkartenanblick.
Die Asiaten steckten kurz die Köpfe zusammen, schauten noch einmal mit leicht verzweifelter
Miene in die Runde. Dann zogen sie ab. Unwürdiger Abgang, bemerkte Ferdinand Hebenbronn.
Sonst sind die Japaner zäher im Verhandeln. Aber vielleicht waren es auch Chinesen.
Wer konnte das schon unterscheiden. Er wühlte in den Zeitschriften, die ihm der
Kellner hingelegt hatte. Auf allen Titelseiten prangten dicke Schlagzeilen und Ankündigungsbilder
von der heutigen Premiere. Das lang erwartete Opernereignis der Saison! las er.
Salzburg mit Jahrhundert-Zauberflöte! Anabella Todorova als Königin der Nacht und
Ferdinand Hebenbronn als Sarastro. Das Opern-Traumpaar auf der Festspiel-Bühne!
Traumpaar? Hebenbronn schnaubte. Diese sensationsgeilen selbstgefälligen Schmierfinken
hatten wie immer keine Ahnung. Er spürte plötzlich ein leichtes Stechen in den Schläfen.
Setzte seine Migräne wieder ein? Hoffentlich nicht. Er durfte nicht vergessen, zur
Sicherheit seine Migränetabletten zur Vorstellung mitzunehmen. Zwei ältere Damen
näherten sich vorsichtig dem Tisch des Sängers, mit Zauberflöten-Programmheften
in den Händen. Hebenbronn legte die Zeitungen beiseite und zog seine Mundwinkel
nach außen. Dann ließ er seine Zähne aufblitzen. Seine Fans liebten dieses Lächeln,
davon war er überzeugt. Nur die wenigsten bemerkten, dass es nicht mehr seine eigenen
Zähne waren, die hier blitzten, sondern die sogenannten »dritten«. Er zog einen
silbernen Füller aus seiner Jackentasche, griff wortlos nach den ihm hingestreckten
Heften und setzte mit barockem Schwung sein Autogramm auf die erste Seite.
»Vielen
Dank, Herr Kammersänger! Und toitoitoi für heute Abend! Wir haben leider keine Premierenkarten.
Aber wir sehen Sie dann in der vierten Vorstellung!«
Die Stimmen
der beiden Damen überschlugen sich. Hebenbronns Lächeln wurde noch eine Spur breiter.
Dann beglückte er die Damen noch mit einem graziösen Kopfnicken. Doch gleich darauf
verfinsterte sich seine Miene. Ein Kamera-Team steuerte auf ihn zu. Das Stechen
in seinen Schläfen wurde stärker.
»Also Kinder,
heute nicht!«, rief er und fuchtelte mit den Händen, als verscheuche er lästige
Stadttauben. »Ich will jetzt in Ruhe frühstücken. Von mir aus morgen. Da könnt ihr
mich aufnehmen, wo ihr wollt. Vor der Mozartstatue. Im Mirabellgarten. Am Würstelstand.
Wo auch immer. Aber jetzt nicht.«
Der sommersprossenübersäte
Redakteur im hellen Sakko stoppte und gab den Kameraleuten ein Zeichen. Enttäuscht
zog das Team ab. Zum Glück musste er sich nicht mehr von jedem Speichelleckerjournalisten
belästigen lassen. Hebenbronn biss genüsslich in das Buttercroissant. Er hatte das
lange genug gemacht. War ja auch der steilen Karriere nützlich gewesen. Aber inzwischen
war er dort angekommen, wo in griechischen Sagen die Götter hausen. Auf dem Olymp.
Wie lange würde er sich dort noch halten können? Eine leichte Unruhe beschlich ihn.
Die Kraft seiner mächtigen Bassstimme neigte sich dem Ende zu. Das war ihm schmerzlich
klar. Den Falstaff oder den Boris Godunov, zwei seiner Glanzrollen, würde er nicht
mehr verlustfrei schaffen. Doch wenn alles gut ging, standen ihm ja noch ganz andere
Möglichkeiten offen. Die aufgekommene Unruhe legte sich. Er hob die Tasse und nahm
einen kräftigen Schluck Kaffee. Er überlegte kurz, ob er noch in sein Haus am Fuschlsee
fahren oder lieber in der Stadtwohnung bleiben sollte. Er entschied sich für die
Wohnung. Ein Spaziergang quer durch die Stadt vor der Premiere würde ihm gut tun.
Er liebte den Weg von Aigen in die Innenstadt. Meist ging er die Salzach entlang,
überquerte den Mozartsteg, und schlenderte dann über Mozartplatz und Residenzplatz
bis zum Festspielhaus. Wenn er in der Stadt bliebe, dann könnte der Gärtner heute
mit der Arbeit auf dem Fuschler Anwesen beginnen. Er hasste es, sich um solchen
Kram kümmern zu müssen. Er nahm sein Handy und wählte die Nummer. Der Gärtner, ein
pensionierter Türke, bedauerte, aber heute habe er keine Zeit. Verwandtenbesuch.
Da werden sie wieder Hammel braten und die Augen essen, dachte Hebenbronn und merkte,
wie sich ihm
Weitere Kostenlose Bücher