Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
der Magen verkrampfte. »Na, dann kommen Sie halt morgen«, schnauzte
er ins Telefon und trug dem Mann noch auf, er solle sich auch um den Swimmingpool
kümmern und um das verbogene Gestänge an der Hollywoodschaukel. Dann vertiefte er
sich wieder in der Zeitung. Er hatte nicht einmal die Hälfte des Porträts über sich
im Feuilletonteil gelesen, als sein Handy vibrierte. Vielleicht hat es sich der
Türke doch anders überlegt und kommt heute schon, hoffte Hebenbronn. Doch das Display
zeigte den Namen »Loretto«.
So früh
hatte er mit dem Anruf gar nicht gerechnet.
»Hallo,
Stuart. Guten Morgen. Ich hoffe, du hast gute Nachrichten für mich. Alles andere
will ich nicht hören.«
»Ich bin
dran, alter Freund. Alle habe ich sie noch nicht im Sack, aber die meisten.«
»Wann kommst
du nach Salzburg?«
»Morgen
Abend. Ich besuche dich in deinem Haus. Und ich bringe dir ein Geschenk mit.«
Loretto
hörte sein Gegenüber am Telefon lachen. Es klang schmutzig.
»Wie alt?«
»Den Führerschein
darf sie noch nicht machen.«
Hebenbronn
spürte, wie sein Mund plötzlich trocken wurde. Er nahm einen Schluck Wasser.
»Sei vorsichtig,
Stuart.«
»Bin ich
doch immer.«
Er beendete
das Gespräch. Eine junge Kellnerin stand vor ihm, das dunkle Haar hochgesteckt.
Ihre Augen erinnerten ihn an Kirschen. Sie beugte sich über den Tisch und reichte
ihm das Glas mit den weich gekochten Eiern. Die makellos weiße Bluse straffte sich
über ihrem festen Busen. Die Knospen der Brüste wölbten sich schwach unter dem Stoff.
Hebenbronn merkte, wie ihm heiß wurde. Er stellte sich vor, wie die Knospen der
Brüste sich aufstellten, wenn er ihr die Bluse auszöge. Die Kellnerin spürte offenbar
seine Unruhe, wurde rot im Gesicht. Sie drehte sich rasch um und eilte davon. Hebenbronn
starrte ihr nach. Das Gefühl der Trockenheit im Mund nahm zu. Er griff schnell nach
dem Wasserglas und leerte es gierig in einem Zug.
»Herr Kammersänger,
dürfen wir Sie kurz stören?«
Die Chefin
des Hauses stand vor ihm, zusammen mit einem Kellner.
»Wir möchten
Ihnen gerne für Ihre Treue als prominenter Stammkunde danken und ein kleines Präsent
überreichen. Zugleich soll es ein Talisman für die heutige Zauberflöten-Premiere
sein.« Der Kellner trat vor und überreichte ihm einen länglichen Gegenstand. Das
Ding war schwer. Er hätte das Präsent beinahe fallen lassen.
»Wir haben
auch einen Spruch aus der Zauberflöte eingravieren lassen. Wir hoffen, unsere kleine
Aufmerksamkeit gefällt Ihnen, und Sie beehren uns auch weiterhin.« Er bedankte sich
herzlich. Dann stellte er das Geschenk vor sich auf den Tisch. Es war ein steinerner
Zylinder, etwa 30 Zentimeter hoch. Eine kleine glatte Säule aus rotem Marmor, die
auf einem Sockel stand. In der Mitte war ein Spruch eingraviert.
Für unseren
hochverehrten Stammgast
Herrn Kammersänger
Ferdinand Hebenbronn
In Verbundenheit.
Das Team des Café Bazar.
Darunter entdeckte er die angesprochene
Stelle aus der Zauberflöte.
In diesen
heil’gen Hallen
kennt man
die Rache nicht.
Und ist
ein Mensch gefallen,
führt Liebe
hin zur Pflicht
Er war gerührt. Ja, so sind sie,
die Salzburger. Immer charmant und aufmerksam.
Das Orchester setzte ein, zum ersten
kräftigen Ruf. Posaunen, Hörner, Klarinetten, Streicher, vereint zu einem vielstimmigen
Stoß. Als gälte es, eine Tür aufzumachen.
Und in Meranas
Kopf öffnete sich auch ein Tor. Auf seiner inneren Bühne hob sich ein Vorhang. DA-DAMMM.
Der zweite Ruf. Ein Doppelschlag. Kurz. Lang. Scheinwerferlicht flammte auf in Meranas
Vorstellung. Eine Märchenlandschaft schälte sich aus der Dunkelheit. Bizarre Felsen.
Wundersam ineinander verschlungene Bäume. Diamantener Sternenhimmel. So hatte er
sich als Kind immer die Zauberflötenwelt vorgestellt. Seine Bilder waren völlig
anders als die Darstellungen, die er auf der Leinwand während des Vortrages von
Ulrich Peterfels gesehen hatte. DA-DAMMM. Der dritte Ruf. Noch strahlender, noch
eindringlicher als die beiden vorausgegangenen. Merana war, geleitet vom Klangzauber
der Musik, so in seiner inneren Theaterwelt gefangen, dass er das Handyläuten nicht
gleich wahrnahm. Auf seiner inneren Bühne tummelten sich zum Klang der Ouvertüre
die Gestalten der Oper: die würdevoll durch den Tempel schreitenden Priester mit
Sarastro an der Spitze, dahinter Tamino und Pamina, der Prinz und die Prinzessin,
Hand in Hand. In der Ferne, vor der bleichen Sichel des Mondes, die
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