Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
wir ganz vorne. Samstagabend, 21.20 Uhr. Anabella Todorova fährt unter
Donner und Blitz, auf einer Säule stehend, von der Unterbühne hoch zur Hauptbühne.
Mitten in ihrer Arie zeigt sie Anzeichen von Schwäche. Sie schwankt und stürzt auf
den Bühnenboden. Sie fällt dabei so unglücklich, dass sie tot ist. Schädelbruch.
Typische Gehirnverletzung.«
»2.200 Zeugen
sind geschockt«, entfuhr es der Chefinspektorin unwillkürlich. Diesen Tod auf der
Bühne mitzuerleben, konnte auch ein Profi wie sie nur schwer verarbeiten. Auch Merana
versuchte die Szene vor seinen Augen zu verdrängen. Er schob in seinem Inneren das
Bild mit dem verkrümmten Körper der Sängerin beiseite, um sich auf seine Ausführungen
zu konzentrieren. »Bei der darauf folgenden Autopsie stellt sich heraus, die Tote
hatte Phenobarbital im Blut. Wir wissen bis heute nicht, wie der Opernstar dazu
gekommen ist. Schon zwei Stunden vorher ereignete sich am selben Schauplatz noch
etwas Ungewöhnliches. Um 19 Uhr 17 stürmen drei Tierschützer, zwei Männer und eine
Frau, von außen in den Saal, um für ihre Anliegen zu protestieren. Sie werden von
den Saaldienern und der Polizei hinausgebracht und erkennungsdienstlich überprüft.
Wir haben bis jetzt keinen Hinweis, dass diese beiden Ereignisse in Verbindung zueinander
stehen. Aber wir wollen es weiterhin nicht gänzlich ausschließen.«
Er schaute
kurz in die Runde. Alle blickten konzentriert zur Tafel, wo Merana die Eckpunkte
seiner Zusammenfassung notierte.
»Dienstagabend,
23.00 Uhr. Spaziergänger finden im abschüssigen Gelände des Gaisberges unterhalb
der Straße die Leiche von Emina Saric. Wie unsere Ermittlungen gezeigt haben, ist
der Fundort nicht der Tatort. Die Todeszeit lässt sich folgendermaßen eingrenzen.
Um 20 Uhr wird die junge Frau von einem Zeugen gesehen, wie sie mit ihrem Wagen
die Hotelgarage verlässt. Laut Erkenntnis unseres Gerichtsarztes Doktor Zeller müsste
sie also in der Zeit zwischen acht Uhr abends und den frühen Morgenstunden des Montags
getötet worden sein. Emina Saric starb an den Folgen eines Sturzes, bei dem sie
auf einer harten Fläche aufschlug. Gehirnverletzung. Ähnliche Todesursache wie bei
der Sängerin. Die Verletzungen am Schädel der jungen Frau lassen den Schluss zu,
dass dabei Fremdeinwirkung nicht auszuschließen ist. In der Handtasche neben der
Leiche finden wir einen Ausweis, das Handy, die elektronische Hotelcard, aber keine
Autoschlüssel. So weit die Fakten. Und jetzt wollen wir uns gemeinsam die möglichen
Verbindungen ansehen.«
Er trat
zurück, um zusammen mit den anderen die notierten Hinweise und die Bilder der beiden
toten Frauen auf sich wirken zu lassen.
»Nach unserem
derzeitigen Ermittlungsstand kannten die beiden Frauen einander nicht. Wir haben
auch keine Hinweise, dass sie miteinander gesprochen haben. Es gibt einen kurzen
Zeitabschnitt, in dem sie sich räumlich nahe waren: während der Pause der Zauberflöten-Premiere.
Emina Saric besuchte mit Flora Stullerbaum und dem Team von Moda Sabarella Ferdinand
Hebenbronn in dessen Garderobe. Auf dem Weg dorthin begegnete die Gruppe auch Anabella
Todorova, aber es kam zu keinem Gespräch.«
»Was war
auf dem Rückweg?«
Die Frage
stellte der junge Beamte, der sich bisher in den Ermittlungen besonders engagiert
hatte.
»Nach dem
Verlassen von Hebenbronns Zimmer kam es, laut Aussage von Zeugin Stullerbaum, zu
keiner Begegnung mit der Sängerin.« Er trat wieder an die Tafel. »Befassen wir uns
jetzt mit möglichen Motiven. Beginnen wir mit dem Tod von Anabella Todorova. Die
einfachste Erklärung wäre Selbsttötung. Doch dazu haben wir nicht die Spur eines
Hinweises gefunden, weder in den Aussagen von Kollegen noch in den persönlichen
Unterlagen der Sängerin. Außerdem gibt es wesentlich einfachere Situationen, sich
das Leben zu nehmen, als bei einem Bühnenauftritt mit einer schwierigen Arie. Wer
hätte also Ursache, Anabella Todorova zu töten? Einen wirklich triftigen Grund haben
wir bisher nur bei einer Person im Umfeld der Künstlerin gefunden. Das ist der Geigenhändler
Waldemar Bernhold. Er könnte ein Motiv haben. Bernhold hat die Todorova-Stiftung
und somit die Tote durch das Geschäft mit gefälschten Geigen um 20 Millionen Euro
betrogen. Und er hatte auch die Gelegenheit zur Tat. Er befand sich während der
Pause hinter der Bühne im Garderobenbereich und war laut eigener Aussage auch im
Zimmer der Sängerin. Er könnte ihr das Phenobarbital heimlich in ein Getränk
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