Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
wird
Ruh’ im Tode sein!
Es war still im Saal, als Carlotta
Veitsch nach dem letzten Orchesterton mit tief gesenktem Kopf allein und verloren
auf der riesigen Bühne stand. Ein verzweifeltes Mädchen. Die Ergriffenheit des Publikums
war spürbar. Erst als die Sängerin den Kopf hob, setzte Applaus ein. Natürlich wussten
alle im Saal, dass die Prinzessin später von ihrer Qual erlöst werden würde. Aber
die Ergriffenheit blieb. Tamino und Papageno taumelten durch ihre Prüfungen. Tamino
mit Würde, Papageno mit lautem Poltern und galgenhumorigen Sprüchen. Das brachte
das Publikum immer wieder zum Lachen. Das Spiel strebte auf das spannende Finale
zu. Die drei Knaben, die schon dem Prinzen und dessen Begleiter bei deren Irrwegen
immer wieder beigestanden hatten, fanden gerade noch rechtzeitig die unglückliche
Pamina. Diese hatte schon den Dolch angesetzt.
Lieber durch
dies Eisen sterben,
als durch
Liebesgram verderben.
Mutter,
durch dich leide ich,
und dein
Fluch verfolget mich.
Doch die drei kleinen Burschen nahmen
ihr die Klinge aus der Hand und versicherten ihr, dass alles anders sei, als sie
es zu sehen glaubte. Nach überstandenem Abenteuer bekam schließlich auch Papageno
sein Herzensweibchen in Gestalt einer leicht molligen, aber im zerrupften
Federkleid durchaus entzückenden, Papagena.
Zuvor hatte
sich der Naturbursche zum Gaudium des Publikums an die Damen im Saal gewandt, ob
sich nicht eine seiner annehmen wollte.
Ein Mädchen
oder Weibchen
wünscht
Papageno sich!
Oh so ein
sanftes Täubchen
wär’ Seligkeit
für mich!
Auch das viel beklatschte Liebesduett
der beiden Vogelmenschen wurde ein Hit.
Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Papagena!
Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Papageno!
Und als die beiden sich im Verlauf
ihres Geturtels auch noch gegenseitig Federn ausrissen und sie ins Publikum schweben
ließen, waren die Leute völlig hingerissen.
Erst einen
kleinen Papageno!
Dann eine
kleine Papagena!
Über den frenetischen Jubel der
Besucher freute sich auch die tschechische Sopranistin Branka Dalibor in ihrem Papagena-Kostüm
sichtlich. Gleich darauf drang die Königin der Nacht in den Palast ein und versank
unter Donnergrollen samt ihrem Gefolge in den Tiefen der Unterbühne. Das junge Paar,
Tamino und Pamina, zog in den Tempel ein. Und der gewaltige Schlusschor vermittelte
den Eindruck von: Ende gut, alles gut .
Die Strahlen
der Sonne vertreiben die Nacht!
Eine leuchtende Scheibe erhob sich
hinter der Schar der Feiernden auf der riesigen Bühne des Großen Festspielhauses.
Das Ensemble wurde vom begeisterten Publikum gezählte zwölf Mal vor den Vorhang
geholt. Dann war dieser Zauberflötenabend zu Ende.
Donnerstag, 30. Juli, 22.15 Uhr
Der Kommissar hatte die Großmutter
schon am Nachmittag gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, nach der Aufführung
noch etwas zu essen. Normalerweise nahm Kristina Merana so spät am Abend nichts
mehr zu sich. Aber die Aussicht auf Schlutzkrapfen hatte sie dazu bewogen, zuzustimmen.
Die Großmutter war mit ihm schon öfter im ›Weiserhof‹ gewesen, zuletzt bei ihrem
80. Geburtstag. Der ›Weiserhof‹ liegt in keinem Nobelviertel. Die Gegend in der
Nähe des Hauptbahnhofes vermittelt eher grauen Vorstadtcharakter. Aber das unscheinbare
Wirtshaus mit seinen drei prächtigen Kastanien im Garten ist ein beliebter Treffpunkt.
Merana schätzte
vor allem die einfache, aber bodenständige Küche des Gasthauses.
Hier bekam
man Gerichte nach alten Rezepten, wie sie arbeitssuchende Knechte, Mägde, Straßenbauer,
Holzfäller vor Jahrhunderten nach Salzburg gebracht hatten.
So bot die
Speisekarte kurios klingende Speisen an, wie ›Stinkerknödel‹, ›Hoargneistnidei‹,
›Saumoasn‹ oder ›Kuttelgulasch‹. Und der Wirt servierte seinen Gästen auch Südtiroler
Schlutzkrapfen. Das waren Teigtaschen aus Roggenmehl, die man mit Schafskäse und
Blattspinat füllte und mit zerlassener Butter servierte. Die Großmutter bereitete
diese Spezialität auch selber zu. Aber die Schlutzkrapfen aus der Küche des Weiserhofes
hatten es ihr besonders angetan. Und sie war auch dieses Mal hellauf begeistert.
Nachdem die Teller abgeräumt waren, setzte sich der Wirt an ihren Tisch. »Na, Frau
Merana, wie wäre es mit einer kleinen Nachspeise?« Die Großmutter legte mit einer
vielsagenden Geste die Hände auf ihren bereits gut gefüllten Bauch, stimmte aber
nach kurzem Zögern dennoch zu. »Na, dann lassen Sie sich von mir überraschen.«
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