Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
geprägt. Eine zornige und verletzte
Königin schleuderte ihrer Tochter den Dolch vor die Füße und befahl ihr, Sarastro,
den Todfeind, zu töten.
Der Hölle
Rache kocht in meinem Herzen. Tod und Verzweiflung …
Das hohe G strahlte ähnlich makellos
wie beim Gesang von Anabella Todorova am vergangenen Samstagabend. Milena Kurzmann
schlug sich beachtlich. In den tiefen Lagen vielleicht nicht ganz so kraftvoll wie
die Russin, aber in den Höhen durchaus ebenbürtig. Dann perlte ihre Stimme durch
die erste große Koloratur. Das war die Passage, bei der am Premierenabend die Todorova
von der Säule gestürzt war. Doch nichts dergleichen geschah. Kein Wanken, kein Taumeln.
Der Körper von Milena Kurzmann bog sich nur im Rhythmus der Musik, um den aberwitzig
hohen Koloraturgirlanden die nötige Kraft zu verleihen. Dann war die Arie zu Ende.
Ein tausendfacher Jubel explodierte im Saal des Großen Festspielhauses. Einige der
Zuschauer waren aufgesprungen. Der Applaus dauerte minutenlang. Sogar die Orchestermusiker
klatschten oder bekundeten durch das Schlagen der Bögen gegen die Notenständer ihre
Begeisterung. Merana hatte den Eindruck, die ausgelassene Stimmung war auch der
Tatsache zuzuschreiben, dass dieses Mal Gott sei Dank nichts passiert war. Die Sängerin
musste sich mehrmals verbeugen, ehe sie auf ihrer Säule wieder nach unten verschwand.
Auf der Bühne stand nur mehr Pamina, eine junge Frau mit einem Dolch in der Hand.
Sie kämpfte schwer mit der Entscheidung. Sollte sie dem Auftrag der Mutter folgen?
Andererseits würde die Königin sie verstoßen.
Götter!
Was soll ich tun?
Wie ein Schatten huschte der Mohr
an ihre Seite.
Warum zitterst
du? Vor meiner schwarzen Farbe oder vor dem ausgedachten Mord?
Miguel Carlos fühlte sich glänzend
in die Rolle des zwielichtigen Monostatos ein, dem die Gier nach dem Körper der
jungen Schönheit förmlich die Augen aus dem Kopf trieb. Er bedrängte sie, presste
sich von hinten dicht an den Leib der Prinzessin.
Wenn sie
ihm Liebe entgegenbrächte, würde er sie nicht verraten, flüsterte er ihr mit zuckender
Zunge ins Ohr. Wie ein Blitz hallte ihr Nein! durch den Saal. Niemals! Da würde sie lieber sterben.
So fahre
denn hin!
Der Mohr holte mit dem Dolch aus,
das Mädchen war auf die Knie gesunken. Im nächsten Augenblick prallte Monostatos
zurück. Sarastro war auf der Bühne erschienen. Er schlug dem Sklavenaufseher mit
herrischer Geste den Dolch aus der Hand und befahl ihm, für immer zu verschwinden.
Dann kümmerte er sich um die verzagte Pamina.
Herr, strafe
meine Mutter nicht
Er bot ihr die Hand, um aufzustehen.
Für Meranas Gefühl drängte sich Hebenbronn als Sarastro etwas zu dicht an Pamina
heran. Bei einem Mann, dem es vor allem um Tugend und Weisheit ging, wirkte diese
Nähe verdächtig. Aber vielleicht war das von der Regisseurin auch so geplant, um
anzudeuten, dass Sarastros Charakter nicht ganz so licht war, wie die Umstehenden
immer behaupteten.
Wie auch
immer. Hebenbronn stimmte jene Arie an, die unterstreichen sollte, wie man im Weisheitstempel
mit jenen verfuhr, die sich etwas zuschulden kommen ließen.
In diesen
heil’gen Hallen
kennt man
die Rache nicht.
Und ist
ein Mensch gefallen,
führt Liebe
hin zur Pflicht.
Eines musste man Hebenbronn lassen:
auch wenn ihm seine Stimme nicht mehr allzu lange gehorchte, und das Ende seiner
Sängerkarriere nahte, diese Arie hatte er mit großer Bravour gemeistert. Die Reaktion
des Publikums war Bestätigung dafür.
Auch den
Rest der Vorstellung hielt die Qualität des bisher Gezeigten an. Besonders berührt
war Merana, wie Carlotta Veitsch die Verzweiflung der Prinzessin darstellte, als
diese sich von Tamino, dem ein Schweigegelübde auferlegt worden war, zurückgestoßen
fühlte.
Ach, ich
fühl’s, es ist verschwunden,
ewig hin
der Liebe Glück!
Nimmer kommt
ihr Wonnestunden
meinem Herzen
mehr zurück!
Ihr Schmerz war überzeugend. Das
bewegte auch die Großmutter zutiefst, wie er an ihrem Gesicht erkannte. Mozarts
Musik war nicht immer von der spielerischen Leichtigkeit getragen, wie viele oft
meinten. Die konnte auch wie eine Pranke treffen. Und das tat weh. Nicht nur im
berühmten Requiem. Auch hier, in dieser Arie. Wer erbarmte sich der jungen Frau,
die durch das Gefühl, missachtet zu werden, aus dem Leben scheiden wollte?
Sieh, Tamino,
diese Tränen
fließen,
Trauter, dir allein.
Fühlst du
nicht der Liebe Sehnen,
so
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