Zauberhaft Gekuesst
Gesicht bekommen.“
„ Was macht dein Bruder?“
„Er hat mich erst vor Kurzem angerufen. Momentan ist er in Afr ika unterwegs, er will mich aber demnächst besuchen kommen. Er ist früh zum Militär gegangen. Nachdem er seinen Dienst quittiert hat, arbeitete er etwa zwei Jahre lang als Polizist in New York. Was er in letzter Zeit getrieben hat, weiß ich gar nicht so genau. Meine Mutter meinte, er habe ein eigenes Geschäft eröffnet.“ Nachdem sie gezahlt hatten, machten sie sich auf den Rückweg. Nate stellte das Auto ein Stück entfernt von ihrem Haus ab, damit sie im Dunkeln noch ein wenig spazieren gehen konnten. So ging es noch einige Tage weiter. Sie gingen essen und danach noch etwas spazieren. Er erzählte ihr, an welcher Szene in seinem neuen Buch er gerade schrieb und an welchen Stellen er gerade nicht weiter kam. Tate gab ihm Tipps, die ihn immer wieder zum Lachen brachten. Aus der Ferne hörten sie immer wieder die Kirchenglocken, die das Verstreichen der Zeit anzeigten. Sue ließ sich immer weniger blicken und von Loc war seit dem Angriff auf ihre Mutter nichts mehr zu sehen. Vier Tage vor Samhain machte sich Tate auf den Weg zu Orgim. Sie war mittlerweile der Meinung, er habe nun genug Freiraum gehabt. Sein Haus in Cross Town lag etwa zehn Gehminuten vom Zentrum entfernt. Es besaß zwei Stockwerke und einige kleine Fenster, damit ihn das Sonnenlicht nicht zu sehr störte. Die Außenfassade war Taubengrau gestrichen. Als Tate den großen Türklopfer betätigte, der aussah, wie ein aus der Hölle entsprungener Gargoyle, hoffte sie inständig, dass er die Tür öffnen würde.
„Wer ist da?“ Hörte sie seine brummige Stimme rufen.
„Orgim, mach die Tür auf. Ich möchte nur kurz mit dir reden.“
„Nein.“
„Ogrim...“
„Nein!“
„Du…“
„Nein!!!“
Tate atmete einmal tief durch, ehe sie erwiderte: „Du benimmst dich wie ein starrköpfiger Kobold. Wir werden reden, egal ob du mich ins Haus lässt oder nicht.“ Tate hörte ein Brummen, dann wurden im Inneren des Hauses Schlösser geöffnet. Als die schwere Holztür aufschwang, sah sie Orgim von hinten, wie er davon ging. Mit leichtem Unbehagen betrat sie das Haus und folgte dem Troll in Richtung Küche, wo er in einem großen Topf auf dem Herd umrührte. Für magische Wesen war das Haus ein heiliger Ort. Anders als Trolle waren Hexen nicht wirklich unsterblich. Das Hexenhaus erhielt ihre Jugend und versorgte sie mit magischer Energie, die das Haus zuvor durch die Bewohner aufgesogen und gereinigt hatte. Das war auch der Grund, warum eine Hexe nicht für längere Zeit allein leben konnte. Natürlich gab es welche, die solch ein Leben bevorzugten und das Älterwerden und Sterben in Kauf nahmen, sollten sie es nicht schaffen, mit anderen Hexen eine Wohngemeinschaft zu gründen und die Energien aufeinander abzustimmen. Doch auch wenn Orgims Haus nicht die gleiche Energie wie ihr eigenes Haus ausstrahlte, war es doch wie sein Besitzer und gab Tate durch grummeln und kühle Energiestößen zu verstehen, dass sie nicht wirklich willkommen war.
„Sag, was du sagen willst und dann verschwinde wieder.“
Noch immer rührte Orgim in seinem Topf herum, der einen strengen Geruch nach etwas Faulem verströmte.
„Ich bin hier, um dich zu bitten, deine Kündigung zurückzuzi ehen.“
„Nein.“ Als Orgim zu ihr herüber schaute, grinste sie ihn an.
„Du scheinst ja heut dein Vokabular stark eingeschränkt zu haben.“
Nun wurde sie wieder ernst.
„Orgim, du weißt, dass ich dich brauche. Ich kenne dich schon ewig und weiß, dass uns auch eine Freundschaft verbindet.“ Als Orgim ihr einen bösen Blick zuwarf, erwiderte sie diesen genauso intensiv. Ein Sterblicher würde wahrscheinlich bei solch einem Blick in Ohnmacht fallen, Tate jedoch ließ sich nicht einschüchtern.
„Sag mir, was mit Dolores vorgefallen ist?“
„Das geht dich nichts an.“
„Orgim ...“ Wieder unterbrach er sie, während das Haus noch einmal laut grummelte und dabei leicht bebte.
„Tate, ich weiß zu schätzen, dass du hergekommen bist. Ich we rde kommen, sobald ich dazu bereit bin. Und jetzt geh, ich möchte meinen Eintopf genießen. Geh, und kämm deinen Besen oder verbring deine Zeit mit diesem menschlichen Schreiberling.“ Tate wusste, dass sie an dieser Stelle nicht weiterkam. Also ging sie zu Orgim und gab ihm einen Kuss auf die ledrige Wange, ehe sie in Richtung Tür ging und sagte: „Ich habe meinen Besen erst gekämmt, wenn ich das noch
Weitere Kostenlose Bücher