Zauberin von Darshiva
vor. Hat jemand von euch ihn schon einmal gehört?« Sie blickte alle der Reihe nach an.
»Ich kann mich nicht entsinnen«, log Silk. »Habt Ihr diesen Weißäugigen je wiedergesehen?«
Die Erzherzogin war angestrengt damit beschäftigt, die letzten Tropfen Bier aus dem Faß zu schöpfen. »Wie bitte?«
»Den Weißäugigen«, sagte Belgarath ungeduldig. »Ist er je wiederge-kommen?«
»Natürlich.« Die Erzherzogin lehnte sich zurück und leerte genießerisch ihren Krug. »Er war erst vor ein paar Tagen da. Er kam mit einer schwarzvermummten Frau und einem kleinen Jungen.« Sie rülpste leicht.
»Könntet Ihr ein bißchen an der Klingelschnur da drüben ziehen, mein kleiner krummer Freund?« bat sie Beldin. »Ich glaube, wir haben das Faß geleert, aber ich habe immer noch Durst.«
»Ich kümmere mich sofort darum, mein Liebling.« Der Bucklige stapfte zum Glockenzug.
»Es ist so schön, Freunde um sich zu haben«, sagte die Erzherzogin verträumt. Da sackte ihr Kopf auf die Brust, und sie begann zu schnarchen.
»Weck sie auf, Pol«, wies Belgarath seine Tochter an.
»Ja, Vater.«
Es war nur eine ganz leichte Gedankenberührung, doch die beschwipste Edelfrau riß sofort die Augen auf. »Wo war ich gleich?« fragte sie.
»Ah – Ihr habt vom kürzlichen Besuch des Weißäugigen erzählt, Eure Hoheit«, half ihr Silk.
»O ja. Er kam bei Einbruch der Dämmerung an – er und diese alte Vettel im schwarzen Satin.«
»Alte Vettel?« fragte Silk.
»Sie muß eine Vettel gewesen sein, denn sie gab sich viel Mühe, ihr Gesicht vermummt zu halten. Aber der kleine Junge war herzig – rotblonde Locken und die blauesten Augen, die ihr je gesehen habt. Ich ließ ihm Milch bringen, denn er war hungrig. Jedenfalls, der Weißäugige und die Vettel gingen mit meinem Gemahl weg, und dann nahmen sie sich Pferde und ritten davon. Der Frosch, mein Gemahl, sagte mir, daß er eine Weile wegbleiben würde und daß ich inzwischen nach meiner Schneiderin rufen solle – er murmelte irgendwas von einem passenden Gewand für eine Krönung. Was er genau sagte, habe ich vergessen.«
»Was ist aus dem kleinen Jungen geworden?« erkundigte sich Ce’Nedra angespannt.
Die Erzherzogin zuckte die Schultern. »Soviel ich weiß, haben sie ihn mitgenommen.« Sie seufzte. »Ich bin plötzlich so schläfrig.«
»Hat Euer Gemahl erwähnt, wohin sie wollten?« fragte Silk sie.
Sie zuckte die Schultern. »Ich höre ihm schon seit Jahren nicht mehr zu«, antwortete sie. »Wir haben eine kleine Jacht in einer Bucht etwa eine Meile von hier. Sie ist nicht mehr dort. Also nehme ich an, daß sie damit gefahren sind. Mein Gemahl sagte irgend etwas über einen Firmenpier in der Stadt.« Sie schaute sich um. »Hat man das zweite Bierfaß schon gebracht?«
»Es müßte jeden Augenblick hier sein, mein kleiner Liebling«, versicherte ihr Beldin sanft.
»Oh, gut.«
»Wollt Ihr sonst noch etwas wissen?« fragte Silk Belgarath leise.
»Ich glaube nicht.« Der alte Mann wandte sich an seine Tochter. »Sorg dafür, daß sie einschläft, Pol.«
»Nicht nötig, Vater«, versicherte sie ihm. Fast traurig blickte sie auf die üppige Edelfrau, die die Arme wieder um Beldins Hals geschlungen und das Gesicht in seine Schulter vergraben hatte und leise schnarchte. Vorsichtig löste der Bucklige ihre Arme und legte die Erzherzogin behutsam auf den Diwan. Dann holte er eine Decke von einem anderen Diwan und breitete sie über sie. »Schlaft gut, meine Lady«, murmelte er, und auch er blickte ein wenig traurig auf sie, während er ihr sanft übers Haar strich.
Dann drehte er sich herausfordernd zu Belgarath um und funkelte ihn an.
»Na?«
»Ich habe nichts gesagt«, versicherte ihm Belgarath.
Wortlos stand Ce’Nedra auf, ging zu dem häßlichen kleinen Mann, umarmte ihn und küßte ihn auf die Wange.
»Was bedeutet das?« fragte er argwöhnisch.
»Ich habe auch nichts gesagt«, antwortete sie. Sie zupfte abwesend ein paar Strohstückchen aus seinem Bart und gab sie ihm.
6
aum kamen sie aus dem Haus, schwang sich Garion auf Chretienne.
K »Was hast du vor?« fragte ihn Silk.
»Ich will auf der Fährte bleiben«, antwortete Garion.
»Wieso? Sie wird ja doch nur zu der Bucht hinunterführen, von der die Dame sprach, und sich dann wieder auf dem Meer verlieren.«
Garion blickte ihn hilflos an.
»Ich würde sagen, das beste ist, wir kehren so rasch wie möglich nach Melcene zurück. Eine Menge Leute arbeiten dort für mich. Sie sollen Nachforschungen
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