Zauberin von Darshiva
Übergriffen an der Grenze von Rengel. Rengel war Teil des Melcenischen Reiches, und der Kaiser hielt es für angebracht, den Karandesern eine Lektion zu erteilen. Er rück-te mit einer Strafexpedition in Voresbo ein und dann in Zamad – an der Spitze eines Elefantenreitertrupps. Die Karandeser hatten noch nie zuvor Elefanten gesehen und flohen panikerfüllt. Der Kaiser ließ alle Ortschaften dort oben zerstören. Als er von einem heiligen Stein und seinem Schrein hörte, begab er sich dorthin und nahm den Cthrag Sardius an sich – ich glaube, mehr um die Karandeser zu bestrafen, als um den Stein zu besitzen. Er ist nicht gerade eine Augenweide, wißt Ihr?«
»Wie sieht er aus?« fragte Garion.
»Er ist ziemlich groß«, antwortete Senji, »von ovaler Form und etwa dieser Größe.« Er deutete auf einen Gegenstand von ungefähr zwei Fuß im Durchmesser. »Er ist von einem eigentümlichen Rot und irgendwie mil-chig – wie bestimmte Arten von Feuerstein. Jedenfalls, wie ich bereits sagte, wollte ihn der Kaiser im Grunde gar nicht, deshalb schenkte er ihn nach seiner Rückkehr der Universität. Dort wanderte er von Fakultät zu Fakultät und gelangte schließlich in dieses Museum. Gut tausend Jahre lag er in dem Schaukasten und sammelte Staub, und niemand interessierte sich wirklich für ihn.«
»Wieso wurde er dann gestohlen?« erkundigte sich Belgarath.
»Dazu wollte ich gerade kommen. Vor etwa fünfhundert Jahren gab es einen Gelehrten in der Fakultät für Geheimwissenschaften, einen seltsamen Burschen, der Stimmen hörte. Er war ganz versessen auf den Cthrag Sardius. Er stahl sich des Nachts hierher, saß stundenlang davor und starrte ihn an. Ich glaube, er bildete sich ein, daß der Stein zu ihm sprach.«
»Das ist durchaus möglich«, sagte Beldin. »Der Stein kann das wahrscheinlich.«
»Nun, dieser Gelehrte wurde zusehends verrückter, und schließlich stahl er den Cthrag Sardius eines Nachts. Ich glaube nicht, daß sein Fehlen irgend jemandem aufgefallen wäre, aber der Mann floh von der Insel, als wären alle Legionen Melcenas hinter ihm her. Er nahm ein Schiff und segelte südwärts. Zum letztenmal wurde dieses Schiff an der Südspitze von Gandahar gesehen, wie es in Richtung der Dalasischen Protektorate segelte. Es kehrte nie wieder zurück, deshalb wurde allgemein angenommen, daß es irgendwo in diesen Gewässern einem Sturm zum Opfer fiel. Das ist alles, was ich darüber weiß.«
Beldin kratzte nachdenklich seinen Bauch. »Es paßt alles zusammen, Belgarath. Der Sardion hat die gleiche Art von Macht wie das Auge. Ich würde sagen, er hat mit voller Absicht Schritte unternommen, um von Ort zu Ort gebracht zu werden – wahrscheinlich bestimmter Ereignisse wegen. Ich glaube, wenn wir nachforschten, würden wir feststellen, daß dieser melcenische Kaiser ihn etwa zu der Zeit aus Zamad geholt hat, als du dich mit Bärenschulter nach Cthol Mishrak begeben hast, um das Auge Aldurs zurückzuholen. Und dieser Gelehrte, von dem Senji sprach, hat ihn ungefähr zur Zeit der Schlacht von Vo Mimbre von hier verschwinden lassen.«
»Ihr redet von dem Stein, als wäre er etwas Lebendiges!« warf Senji ein.
»Das ist er auch«, versicherte ihm Beldin. »Und er kann die Gedanken von Menschen in seiner Nähe beeinflussen. Natürlich kann er sich nicht aus eigener Kraft bewegen, also läßt er das von Menschen besorgen.«
»Das ist reine Theorie, Beldin«, stellte Belgarath fest.
»Meine Stärke. Aber wollen wir nicht weitermachen? Wir müssen ein Schiff erreichen, oder hast du das vergessen? Diskutieren können wir auch noch später.«
Belgarath nickte und blickte Senji an. »Man sagte uns, daß Ihr uns helfen könnt.«
»Ich bin gern bereit, es zu versuchen.«
»Gut. Wir hörten, daß Ihr an eine ungekürzte Fassung des Ashabiner Orakels herankommen könnt.«
»Wer hat das behauptet?« erkundigte sich Senji mißtrauisch.
»Eine dalasische Seherin namens Cyradis.«
»Niemand glaubt etwas, was Seher sagen«, brummte Senji abfällig.
»Ich schon. In meinen siebentausend Jahren habe ich nie erlebt, daß eine Seherin sich geirrt hätte. Sie sind manchmal kryptisch, doch sie sagen die Wahrheit.«
Senji wich von ihm zurück.
»Kommt, Senji, ziert Euch nicht«, mahnte Beldin. »Wißt Ihr, wo wir eine Abschrift des Orakels finden können?«
»Es gab eine in der Universitätsbibliothek«, erwiderte der Alchimist ausweichend.
»Gab?«
Senji schaute sich nervös um. Dann senkte er die Stimme. »Ich habe es
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