Zauberin von Darshiva
Seltsamerweise bedauerte er immer noch, was vor über einem Dutzend Jahren in Cthol Mishrak passiert war.
»Es ist ungekürzt!« rief Belgarath da triumphierend. »Jemand hat eine Abschrift vom Original gemacht, ehe Torak es verstümmeln konnte. Alle fehlenden Absätze sind hier. Hört euch das an: Der Tag wird kommen, da das Kind des Lichtes und das Kind der Finsternis sich in der Stadt der Ewigen Nacht gegenüberstehen werden. Doch dies ist nicht Ort der endgültigen Entscheidung, denn die Wahl wird nicht dort getroffen werden, und der Geist der Finsternis wird fliehen. Wisset auch, daß sich ein neues Kind der Finsternis im Osten erheben wird.«
»Warum hat Torak diesen Absatz herausgeschnitten?« fragte Garion verwundert.
»Die Folgerungen sind nicht erfreulich – zumindest waren sie es für ihn nicht«, antwortete Belgarath. »Die Tatsache, daß es ein neues Kind der Finsternis geben würde, deutete ziemlich klar darauf hin, daß er die Begegnung in Cthol Mishrak nicht überleben würde.«
»Nicht nur das«, fügte Beldin hinzu, »auch wenn er überlebte, hätte er alles eingebüßt. Das zu schlucken, fiel ihm wahrscheinlich schwer.«
Belgarath blätterte ein paar Seiten weiter.
»Bist du sicher, daß du so nichts übersiehst?« fragte Beldin.
»Ich weiß, was in der Abschrift in Ashaba stand, Beldin. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis.«
»O wirklich?« Das klang spöttisch.
»Gib Frieden!« Belgarath überflog einen weiteren Absatz. »Ich verstehe, weshalb er diesen herausgeschnitten hat«, sagte er. »Höret! Der Stein, der die Kraft des Geistes der Finsternis in sich trägt, wird sich nicht dem Kind der Finsternis offenbaren, das sich zur Stadt der Ewigen Nacht begibt, sondern erst jenem, das noch kommen wird.« Belgarath kratzte sich am Bart. »Wenn ich das richtig auslege, verbarg sich der Sardion vor Torak, weil dieser nicht zum endgültigen Werkzeug der dunklen Prophezeiung bestimmt war.«
Beldin lachte. »Ja, ich kann mir vorstellen, daß das seinem Selbstbe-wußtsein einen Dämpfer verpaßte!«
Aber Belgarath las bereits weiter. Seine Augen weiteten sich plötzlich, und er wurde blaß. »Denn wisset«, las er wieder laut, »nur einem, der den Cthrag Yaska in der Hand hat, wird gestattet sein, den Cthrag Sardius zu berühren. Und im Augenblick dieser Berührung wird alles geopfert, was er ist oder hätte werden können, und er wird zum Gefäß des Geistes der Finsternis. Suchet deshalb den Sohn des Kindes des Lichtes, denn er wird unser Streiter am Ort, der nicht mehr ist. Und sollte er erwählt werden, wird er sich über alle anderen erheben und über die Welt herrschen, mit Cthrag Yaska in einer Hand und Cthrag Sardius in der anderen. Und so wird alles, was einst getrennt wurde, wieder eins, und er wird bis zum Ende aller Tage Herr über alles sein.«
Garion war wie vom Donner gerührt. »Das also meinen sie mit dem Wort ›Opfer‹!« rief er. »Zandramas wird Geran gar nicht töten.«
»Nein«, entgegnete Belgarath düster. »Sie wird etwas viel Schlimmeres tun – ihn in einen zweiten Torak verwandeln.«
»Es ist viel mehr als das, Belgarath«, sagte Beldin ernst. »Das Auge lehnte Torak ab – und verbrannte dabei die Hälfte seines Gesichts. Und der Sardion ließ ihn gar nicht erkennen, daß es ihn gibt. Aber das Auge wird Geran akzeptieren, und der Sardion ebenso. Wenn er beide Steine in die Hände bekommt, wird er die absolute Macht haben. Torak war ein hilfloser Säugling, verglichen mit dem, wozu Geran werden wird.« Er blickte Garion düster an. »Deshalb sagte Cyradis in Rheon, daß du deinen Sohn vielleicht töten mußt.«
»Das ist undenkbar!« erwiderte Garion hitzig.
»Du solltest aber anfangen, darüber nachzudenken. Geran wird nicht mehr dein Sohn sein. Sobald er den Sardion berührt, wird er etwas absolut Böses sein – und obendrein ein Gott!«
Finster las Belgarath weiter. »Hier ist etwas«, sagte er. »Und das Kind der Finsternis, das den Streiter des Bösen zu dem erwählten Ort trägt, wird völlig vom Finsteren Geist besessen sein, ihr Fleisch nur eine Hülle, die das Universum mit seinen Sternen enthält.«
»Was soll das heißen?« fragte Garion.
»Da bin ich mir nicht sicher«, gab Belgarath zu. Er blätterte wieder ein paar Seiten weiter. Stirnrunzelnd las er: »Und es wird solcherart geschehen, daß sie, die den Streiter der Finsternis gebar, den Ort der endgültigen Begegnung offenbaren wird, doch muß sie überlistet werden, ehe sie
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