Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
brandmarkte, leichtes Geld für jeden, der mich hinterrücks mit einem Prügel niederschlagen und mich an meinen Besitzer ausliefern wollte? Oder sollte ich mich an die Verwunschenen Ufer flüchten und wie ein Tier vegetieren, bis irgendein Dämon mein Blut schlürfte? Nein.
Einem Mann wie mir blieben nur die Pirateninseln und das Leben eines Piraten. Aber ich hätte mich nicht freiwillig dazu entschlossen, Kennit, wenn ich die Wahl gehabt hätte. Es sind nur verdammt wenige hier, die sich freiwillig dazu entschlossen haben.«
Seine Stimme wurde leiser, als sein Blick von Kennit in eine dunkle Ecke glitt. Er schien in weite Ferne zu blicken.
Dann sah er abrupt wieder zu Kennit zurück. »Für jedes Zauberschiff, das wir jagen, hetzen wir einen Sklaventreiber. Mehr verlange ich nicht. Ich gebe Euch eine Chance, Euren Traum zu verwirklichen, wenn Ihr mir einen Versuch für meinen gewährt.«
»Das ist eine faire Abmachung«, erklärte Kennit. Er wusste, wann ein endgültiger Handel auf dem Tisch lag. »Fair genug. Für jedes Zauberschiff ein Sklavenschiff.«
Kälte wallte in Wintrow hoch. Erst hatte sie seinen Bauch erfüllt, und jetzt durchströmte sie seinen ganzen Körper. Er wurde förmlich davon geschüttelt. Er hasste es, wie seine Stimme zitterte, als wäre er ein Kind, das gleich losheulte, wenn er doch eigentlich nur seinen Fall vernünftig und ruhig darstellen wollte, wie er es gelernt hatte. Wie er es in seinem geliebten Kloster gelernt hatte. Die Erinnerung an die kühlen Steinsäle, durch die der Friede zusammen mit dem Wind strömte, stieg ungebeten in ihm auf. Er versuchte, Stärke daraus zu gewinnen. Stattdessen jedoch schwächte es ihn nur noch weiter. Er war nicht dort, sondern hier, im Speisesaal seiner Familie. Der niedrige Tisch aus polierter Eiche, die gepolsterten Bänke und Lehnstühle, die um den Tisch herumstanden, die getäfelten Wände und die Gemälde der Schiffe und Vorfahren, all das erinnerte ihn daran, dass er hier war, in Bingtown. Er räusperte sich und versuchte, seine Stimme unter Kontrolle zu bekommen, während er von seiner Mutter zu seinem Vater und dann weiter zu seiner Großmutter blickte. Sie saßen alle an demselben Tisch, aber die anderen waren an dem einen Ende gruppiert, wie ein Ausschuss, der über ihn richten wollte.
Vielleicht wollten sie das ja auch. Er holte Luft.
»Als ihr mich in ein Kloster gesteckt habt, damit ich Priester werde, war das nicht meine Entscheidung.«
Erneut blickte er der Reihe nach in die Gesichter, um vielleicht eine Erinnerung an diesen schrecklichen Tag zu finden.
»Wir standen genau hier. Ich habe mich an dich geklammert, Mutter, und dir versprochen, dass ich für immer ein liebes Kind sein würde, wenn du mich bloß nicht wegschicktest. Aber du hast mir gesagt, dass ich gehen müsste. Du sagtest mir, ich wäre der Erstgeborene und Sa von dem Moment an versprochen, seit ich meinen ersten Atemzug getan hatte. Du sagtest, du könntest dein Versprechen Sa gegenüber nicht brechen, und hast mich dem Wanderpriester übergeben, der mich in das Kloster nach Kali gebracht hat.
Erinnerst du dich überhaupt nicht? Du hast dort gestanden, Vater, an diesem Fenster. Der Tag war so hell, und als ich dich angesehen habe, konnte ich nur eine dunkle Silhouette gegen das Sonnenlicht erkennen.
Du hast an diesem Tag kein Wort dazu gesagt. Großmutter, du hast mir gesagt, ich solle mutig sein, und du hast mir ein kleines Paket mit ein paar Keksen aus der Küche mit auf den Weg gegeben.«
Wieder blickte er von Gesicht zu Gesicht und suchte nach einer Spur von Unbehagen über das, was sie ihm antaten, einen Hauch von Schuld, die andeutete, dass sie wussten, wie sehr sie ihm Unrecht taten. Seine Mutter war die einzige, die ein Zeichen von Beklommenheit zeigte. Er versuchte, ihren Blick zu bannen, sie dazu zu bringen, ihre Gedanken auszusprechen, aber ihr Blick glitt von ihm zu seinem Vater. Der Mann sah aus, als wäre er aus Stein gehauen.
»Ich habe getan, was ihr mir befohlen habt«, sagte Wintrow schlicht. Die Worte klangen weich und jammernd. »Ich bin mit einem Fremden weggegangen. Der Weg zu dem Kloster war beschwerlich, und als ich dort ankam, war mir alles fremd. Aber ich bin geblieben und habe es versucht. Nach einer Weile wurde es mein Heim, und mir wurde klar, wie richtig eure Entscheidung für mich gewesen war.«
Erinnerungen an die ersten Erfahrungen mit dem Priesterleben waren bittersüß. Das Gefühl der Fremdheit überkam ihn erneut und
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