Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
Ersten Maat nähern und ihn davon überzeugen, dass sie ein fähiger, kräftiger Seemann war? Zwar waren in Bingtown weibliche Seeleute nicht unbedingt selten, aber so selbstverständlich waren sie nun auch wieder nicht. Man sah häufig Frauen an Deck der Sechs Herzogtümer arbeiten, wenn sie im Hafen von Bingtown einlief. Viele der Drei-Schiffe-Immigranten waren Fischer geworden, und bei ihnen wurden die Schiffe von der ganzen Familie bemannt. Obwohl also weibliche Seeleute in Bingtown nicht unbekannt waren, erwartete man von ihr sicher, dass sie genauso hart und sogar härter als die Männer sein würde, neben denen sie arbeitete. Aber so wie sie gekleidet war, würde sie nicht einmal die Chance für einen Versuch bekommen. Als die Hitze des Tages ihr auf höchst unangenehme Art das Gewicht und die Dicke ihrer dunklen Röcke und der sittsamen Jacke verdeutlichte, sehnte sie sich immer mehr nach einer einfachen Segeltuchhose, einem Baumwollhemd und einer Jacke.
Schließlich stand sie neben der Viviace . Sie sah zu der Galionsfigur hinauf. Für jeden anderen musste es wirken, als döse das Schiff in der Sonne. Althea jedoch brauchte sie nicht einmal berühren, um zu wissen, dass ihre Sinne und Gedanken nach innen gewendet waren und das Löschen der Fracht verfolgten. Diese Aufgabe wurde schnell erledigt. Schauerleute strömten in einer nicht enden wollenden Reihe ihre Laufplanken hinunter, beladen mit ihren Waren. Sie wirkten wie aufgewühlte Ameisen in einem Nest und achteten kaum auf Althea. Sie war nichts weiter als eine von vielen Gaffern auf dem Pier. Sie trat näher an die Viviace heran und legte ihre Hand an die sonnengewärmten Planken. »Hallo«, sagte sie leise.
»Althea.«
Die Stimme des Schiffes war eine warme Altstimme.
Sie öffnete die Augen und lächelte Althea an. Viviace reichte ihr die Hand, aber leicht, wie sie jetzt war, schwamm sie zu hoch, als dass Althea sie hätte erreichen können. Althea musste sich mit den Empfindungen zufriedengeben, die sie durch die Planken unter ihrer Hand wahrnehmen konnte. Das Selbstbewusstsein des Schiffes war bereits gewachsen. Sie konnte mit Althea sprechen und gleichzeitig die Fracht kontrollieren, die in ihrem Inneren hin und her geschoben wurde. Althea fühlte einen Stich, als ihr bewusst wurde, dass das Schiff einen großen Teil ihres Bewusstseins auf Wintrow konzentrierte. Der Junge hockte im Kettenschrank, wo er Taue zusammenrollte und verstaute.
Die Hitze in dem winzigen Kabuff war erdrückend, und der Gestank des Schiffes verursachte ihm Übelkeit. Die Not, die er empfand, lief durch das Schiff als Spannung in den Planken und Steifheit der Sparren. Solange sie am Pier vertäut war, machte das nicht soviel, aber auf dem offenen Meer musste das Schiff in der Lage sein, dem Druck des Wassers und des Windes nachzugeben.
»Er wird sich erholen«, tröstete Althea Viviace trotz ihrer Eifersucht, die sie bei der Sorge des Schiffes um Wintrow empfand. »Es ist eine harte und langweilige Aufgabe für einen Anfänger, aber er wird es überleben. Versuche einfach nicht an sein Unbehagen zu denken.«
»Das ist nicht das Schlimmste«, meinte das Schiff vertraulich.
»Er ist nichts weiter als ein Gefangener. Er will nicht an Bord sein, sondern möchte Priester werden. Wir haben als so wunderbare Freunde angefangen, und jetzt glaube ich, dass sie ihn dazu bringen, dass er mich hasst.«
»Niemand könnte dich hassen«, meinte Althea und legte all ihre Zuversicht in diese Worte. »Er möchte einfach nur woanders sein. Es ist sinnlos, dich in diesem Punkt zu belügen. Aber was er hasst, ist, dass er nicht da ist, wo er sein will. Er kann dich nicht hassen.«
Sie stählte sich, als müsste sie ihre Hand ins Feuer halten, als sie fortfuhr. »Du kannst seine Stärke sein, das weißt du. Lass ihn wissen, wie sehr du ihn schätzt und was für ein Trost es für dich ist, ihn an Bord zu haben. So wie du es einst bei mir getan hast.«
So sehr sie es auch versuchte, sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme bei den letzten Worten brach.
»Aber ich bin doch ein Schiff, nicht dein Kind«, antwortete Viviace mehr auf Altheas Gedanken denn auf ihre Worte. »Du lässt kein kleines Kind mit keinerlei Kenntnis von der Welt im Stich. Ich weiß, dass ich in vielerlei Hinsicht noch naiv bin, aber ich habe einen großen Schatz von Erinnerungen und Informationen, von dem ich zehren kann. Ich muss das alles einfach nur noch in eine Art Ordnung bringen und herausfinden, wie sie zu
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