Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
gewann man die nächste kleine Stadt für sich. Was konnte er ihnen sagen?
»Wenn die Pirateninseln einen Herrscher hätten… den die Überfallkommandos fürchten… könnten die Menschen dort…«
Er zitterte.
Etta eilte neben ihn. »Lehnt Euch zurück, lehnt Euch zurück.
Ihr seid so weiß wie ein Laken. Sorcor, sorg für diese Dinge, das Bad und alles. Ach, und bring mir das Becken und die Bandagen, die ich auf dem Vordeck habe liegen lassen. Ich brauche sie jetzt.«
Kennit hörte widerwillig zu, wie sie seinen Maat mit einer deutlichen Missachtung des Protokolls herumkommandierte.
»Sorcor kann das hier bandagieren«, erklärte Kennit misstrauisch.
»Ich kann das besser«, versicherte sie ruhig.
»Sorcor…«, begann er, aber jetzt wagte es der Erste Maat doch tatsächlich, ihn zu unterbrechen.
»Eigentlich, Sir, hat sie wirklich ein gutes Händchen dafür. Sie hat unsere Jungs nach dem letzten Angriff versorgt, und sie hat ihre Sache gut gemacht. Ich kümmere mich um das Waschwasser.«
Damit verschwand er und ließ Kennit hilflos in den Klauen dieser blutrünstigen Dirne zurück.
»Sitzt still«, befahl sie, als könnte er aufstehen und weglaufen.
»Ich hebe Euer Bein an und lege ein Handtuch darunter, damit wir Euer Bettzeug nicht durchtränken. Wenn wir fertig sind, beziehe ich Euer Bett frisch.«
Er biss die Zähne zusammen und kniff die Augen zu, und schaffte es, nicht aufzustöhnen, als sie seinen Stumpf anhob und geschickt mehr Lappen darunter schob. »Jetzt will ich Eure Bandagen nass machen, bevor ich versuche, sie abzunehmen. Sie ziehen dann weniger an Eurer Haut.«
»Du scheinst viel davon zu verstehen«, stieß er zähneknirschend hervor.
»Huren werden viel geschlagen«, meinte sie sachlich. »Wenn die Frauen in einem Freudenhaus sich nicht umeinander kümmern, wer dann?«
»Und ich soll also meine Verwundung der Frau anvertrauen, die mein Bein abgeschlagen hat?«, fragte er kühl.
Sie erstarrte. Dann sank sie wie eine verblühte Blume auf den Boden neben sein Bett. Sie war kreidebleich und beugte sich vor, bis ihre Stirn den Rand seines Bettes berührte. »Es war die einzige Möglichkeit, Euch zu retten. Ich hätte mir beide Hände abgehackt, statt Euer Bein zu opfern, wenn Euch das gerettet hätte.«
Diese Erklärung kam Kennit so vollkommen absurd vor, dass er einen Augenblick sprachlos war. Sein Amulett jedoch war um eine Antwort nicht verlegen. »Kapitän Kennit kann ein herzloses Schwein sein. Aber ich versichere dir, dass ich verstehe, dass du es tun musstest, um mich zu retten. Ich danke dir dafür.«
Schock und Wut durchströmten Kennit, dass sein Amulett sich so einfach jemand anderem gegenüber zu erkennen gab. Er legte seine Hand darüber, aber das kleine Gesicht grub seine winzigen Zähne in seine Handfläche. Er riss die Hand mit einem schmerzerfüllten Stöhnen zurück, als Etta mit Tränen in den Augen zu ihm hochsah. »Ich verstehe«, sagte sie heiser. »Es gibt viele Rollen, die ein Mann spielen muss. Vermutlich ist es notwendig, dass Kapitän Kennit ein herzloses Schwein ist.«
Sie zuckte mit den Schultern und versuchte zu lächeln. »Aber das werfe ich dem Kennit nicht vor, der mein ist.«
Ihre Nase war rot angelaufen, und ihre feuchten Augen waren entsetzlich. Schlimmer noch, sie schien zu glauben, dass er ihr dafür dankte, dass sie ihm das Bein abgehackt hatte. In Gedanken verfluchte er sein gerissenes, heimtückisches Amulett, weil es ihn in seine solche Lage gebracht hatte. Trotzdem griff er nach dem Strohhalm, dass sie wirklich glaubte, er hätte diese Worte über die Lippen gebracht. »Reden wir nicht mehr davon«, sagte er hastig. »Kümmere dich, so gut du kannst, um mein zerstörtes Bein.«
Das Wasser, mit dem sie die Bandagen aufweichte, war so warm wie Blut. Er fühlte es kaum, bis sie anfing, die Leinen-und Scharpieschichten abzuschälen, die seine Wunde bedeckten. Er drehte den Kopf zur Seite und starrte die Wand an, bis sein Blick flackerte. Ihm brach am ganzen Körper der kalte Schweiß aus. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass Sorcor zurückgekommen war, bis der Maat ihm eine offene Flasche Brandy hinhielt.
»Und das Glas?«, fragte Kennit verächtlich.
Sorcor schluckte. »Wie Euer Bein aussieht, dachte ich, wäre ein Glas nur Zeitverschwendung.«
Wenn Sorcor das nicht gesagt hätte, wäre Kennit vielleicht in der Lage gewesen, nicht auf seinen Stumpf zu blicken. Aber während der Seemann in einem Schrank nach einem passenden Glas suchte,
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