Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
gelogen.«
»Ich möchte es trotzdem hören.«
Sie seufzte. »Sie wussten nicht besonders viel. Das meiste waren Gerüchte. Die beiden Schiffe waren kaum einen Tag zusammen im Hafen. Die Viviace gehört einer Bingtown-Händlersippe namens Haven. Das Schiff wird so schnell wie möglich durch die Innere Passage nach Chalced segeln. Sie hoffen, hauptsächlich Künstler und erfahrene Handwerker kaufen zu können, aber sie nehmen auch andere Sklaven, nur wegen des Ballasts. Ein Mann namens Torg hatte das Sagen, aber er schien nicht der Kapitän zu sein. Das Schiff ist frisch erwacht. Und das ist ihre Jungfernfahrt.«
Kennit schüttelte den Kopf. »Haven ist kein Händlername.«
Sie spreizte die Hände. »Ihr hattet sicher Recht. Sie haben mich belogen.«
Sie drehte sich um und starrte auf ein Schott. »Es tut mir leid, dass ich die Befragung verpfuscht habe.«
Sie wurde widerspenstig. Hätte er zwei gute Beine gehabt, dann wäre er aufgestanden, hätte sie aufs Bett geworfen und daran erinnert, wer sie war. Stattdessen musste er ihr schmeicheln. Er überlegte, was er ihr Nettes sagen konnte, damit sie wieder freundlich wurde. Aber das unaufhörliche Pochen in seinem fehlenden Bein wurde plötzlich zu einem hämmernden Schmerz. Er wollte sich nur noch hinlegen, schlafen und so dieser Pein entkommen. Und dafür musste er sie bitten, ihm zu helfen.
»Ich bin hilflos. Ich kann nicht mal allein in mein Bett!«, sagte er bitter. Und mit einer seltenen Offenheit erklärte er: »Ich hasse es, dass du mich so siehst.«
Die Musik vor seiner Tür hatte sich verändert. Jetzt sang ein Mann, und seine Stimme klang sowohl kraftvoll als auch zärtlich. Er neigte den Kopf, als er die merkwürdig vertrauten Worte erkannte. »Ah«, sagte er leise.
»Jetzt erkenne ich es. ›Von Kytns, an seine Geliebte‹. Ein wunderschönes Stück.«
Er versuchte erneut, ihr ein Kompliment zu machen, aber ihm fiel keines ein. »Du kannst an Deck gehen und der Musik zuhören, wenn du möchtest«, bot er ihr an. »Es ist ein ziemlich altes Gedicht, weißt du.«
Sein Blick trübte sich.
Vor Schmerz traten ihm Tränen in die Augen. »Hast du es schon einmal gehört?«
Er versuchte, ruhig zu sprechen.
»Ach, Kennit.«
Sie schüttelte den Kopf und schien plötzlich und unerklärlicherweise Reue zu empfinden. Tränen standen in ihren Augen, als sie zu ihm kam. »Es klingt hier süßer als irgendwo anders. Es tut mir leid. Ich bin manchmal eine so herzlose Hure. Seht Euch an, wie weiß Ihr seid. Kommt, ich helfe Euch beim Hinlegen.«
Dabei war sie so zärtlich, wie sie nur konnte. Anschließend wischte sie ihm das Gesicht mit kaltem Wasser ab. »Nein«, protestierte er schwach. »Mir ist kalt. Viel zu kalt.«
Sie deckte ihn vorsichtig zu und legte sich dann an seine gesunde Seite. Die Wärme ihres Körpers war tatsächlich erfreulich, aber die Spitze ihrer Bluse kratzte an seinem Gesicht.
»Zieh dich aus«, befahl er ihr. »Du bist am wärmsten, wenn du nackt bist.«
Sie lachte kurz auf, aber es war ein erfreutes und überraschtes Lachen. »Was für ein Mann«, tadelte sie ihn. Aber gleichzeitig stand sie gehorsam auf.
Jemand klopfte an die Tür. »Was?« wollte Kennit wissen.
Sorcors Stimme klang überrascht. »Ich bringe Euch den Gefangenen, Sir.«
Es war viel zuviel Arbeit. »Vergiss es«, erwiderte er schwach.
»Etta hat ihn schon befragt. Ich brauche ihn nicht mehr.«
Ihre Kleidung fiel auf den Boden um sie herum. Sie kletterte vorsichtig ins Bett und schmiegte sich an ihn. Er war plötzlich so müde. Ihre Haut war weich und warm, wirklich angenehm.
»Kapitän Kennit?«
Sorcors Stimme klang hartnäckig und besorgt.
»Ja«, erwiderte Kennit.
Sorcor stieß die Tür auf. Hinter ihm standen zwei Matrosen und hielten das zwischen sich aufrecht, was von dem Kapitän der Sicerna übrig geblieben war. Sie sahen zu ihrem Kapitän und staunten. Kennit drehte den Kopf und folgte ihrem Blick. Neben ihm im Bett saß Etta. Sie hielt die Decke fest unter ihren nackten Schultern und knapp über der Kurve ihres Brustansatzes. Die Musik vom Deck drang lauter in die Kajüte. Kennit sah wieder seinen Gefangenen an. Etta hatte ihn nicht nur geblendet. Sie hatte ihn Stück für Stück seziert. Es war widerlich. Er wollte sich das nicht ansehen. Aber er musste den Schein wahren. Kennit räusperte sich. Am besten brachte er es sofort hinter sich.
»Gefangener. Hast du meiner Frau die Wahrheit gesagt?«
Das Wrack zwischen den beiden Matrosen hob das
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